Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben
zu Mittsommer zusammen, um Opfer darzubringen.«
»In Eriu wird immer noch Lugus mit dem langen Arm geehrt«, erklärte Cunorix. »In Taltiu veranstalten wir für ihn ein großes Fest mit einem Rindermarkt.«
Bediver nickte. Kurz beschlich ihn der Eindruck, dass sie, andern Orts geboren und nach Britannien gebracht, alle drei gleichermaßen Fremde waren. Er aber stammte aus einem seit langem christlichen Land, während Oesc und Cunorix nach wie vor so heidnisch waren wie diese Kelten, die in ihren bunten Gewändern um die Feuer tanzten.
»Seht mal da!« Oesc wies mit dem Finger die Richtung. Gwalchmai wandelte zwischen den Feiernden, den Oberkörper in einen gold, braun und schwarz karierten Umhang gehüllt, den eine silberne Brosche zusammenhielt. Darunter lugten die Zipfel eines kurzen, dunkelgelben Hemdes mit schwarzen, in den Saum eingearbeiteten Bändern hervor. In der Hand hielt er ein silbergefasstes Trinkhorn.
Er erblickte die drei Gefährten und ging mit breitem Lächeln auf sie zu.
»Schaut – mein Vater hat mir dieses neue Horn geschenkt! Heute Abend habe ich die Erlaubnis, bei den Männern zu sitzen und mit ihnen zu trinken.«
»Ich freue mich, dass du die Schlacht unbeschadet überstanden hast«, meinte Bediver. »Willst du dich zu uns setzen, mit uns trinken und uns erzählen, was hier so alles geschieht?«
»Ich will, dass – « In so breiigem Dialekt, dass Bediver ihm nicht zu folgen vermochte, sagte Gwalchmai etwas zu dem drahtigen, rothaarigen Stammeskrieger, der ihn begleitet hatte, danach gesellte er sich zu ihnen auf die Felle. »Sogar meine Mutter findet, dass ich nun, da ich eine Schlacht miterlebt habe, ein Krieger bin. Meine Brüder müssen dort droben bei den Frauen bleiben – « Er deutete auf die Abschirmung aus lose verflochtenem Strauchwerk, hinter der die Gemahlinnen der Häuptlinge ihr eigenes Fest feierten.
Nicht wenige der Männer waren in weiblicher Begleitung gekommen. Die Männer der Stämme hatten ihre Familien mitgebracht, und viele der Mädchen erboten sich, beim Ausschenken des Biers und Mets zu helfen. Und wenn einem der Mädchen ein Krieger aus dem Süden gefiel und es sich daneben ins Gras setzte, schien niemand daran Anstoß zu nehmen. Bediver war bereits aufgefallen, dass die Frauen der nördlichen Stämme eine Freiheit besaßen, die in einem christlichen Land niemals gestattet gewesen wäre.
Gwalchmais rothaariger Diener kehrte mit einem Krug Met zurück und füllte ihre Hörner nach.
»Sag, was ist das für eine Tribüne mit dem abgezäunten Platz davor?«, wollte Oesc wissen.
»Oh, die ist für die Zeremonie. Gibt es das im Süden nicht?«, fragte er, als er die ratlosen Blicke der anderen sah. »Wenn Lugus den Schwarzen Stier tötet, der die Göttin entführt hat und die Ernte zurückhält?«
»Nein«, erwiderte Bediver, »so etwas habe ich noch nie gesehen.«
»Nun, die Sonne geht soeben unter«, antwortete Gwalchmai. »Schon bald werdet ihr etwas zu sehen bekommen.«
Im Westen erstrahlte der Himmel in goldenem Licht, als wollte er die entschwundene Sonne ehren. Sanft schimmerte der letzte Glanz auf dem rauen Fels der Klippen, dem Holz der Palisade über ihnen und dem Rieddach von Leudonus’ Herrschaftssitz. Während sie hinsahen, tauchte auf dem Kamm unterhalb des Osttores ein Lichtpunkt auf, und kaum einen Lidschlag später bekam er Gesellschaft und wurde zur Fackelreihe, die sich einer Feuerschlange gleich den Festungshügel hinabwand.
Als sie sich näherte, waren die im Zwielicht gespenstisch wirkenden weißen Roben der Männer zu erkennen, die jene Prozession anführten.
»Druiden!«, rief Bediver aus. »Ich wusste gar nicht, dass es noch so viele gibt.«
»Im Norden schon – «, sagte Gwalchmai selbstgefällig.
»In Eriu auch«, fügte Cunorix hinzu.
»Merlin wird auch Druide genannt«, stellte Oesc fest.
»Merlin…« Kopfschüttelnd dachte Bediver an die Geschichten, die er über den Mann gehört hatte. »Er besitzt das Wissen der Druiden, dennoch unterscheidet er sich von ihnen. Manche behaupten, der Teufel hätte ihn gezeugt und ihm seine Macht verliehen.«
»Glaubte ich an deinen Teufel, würde ich das wohl hinnehmen«, brummte Oesc grimmig. »Aber die Wicce meines Großvaters nennt ihn Witega, was so viel wie Orakel heißt.«
»Auch die Druiden meines Vaters prophezeien und deuten Omen«, warf Gwalchmai ein. »Aber sie führen auch Opferungen und Zeremonien durch.«
Bediver verzog das Gesicht. Er war als Christ erzogen worden
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