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Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben

Titel: Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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auch einer von Aelles Söhnen.
    Nachdem ein Monat verstrichen war, war er beinahe davon überzeugt, dass dem so sei. Und so zeigte sich zumindest sein rational denkender Verstand überrascht, als Artor ihn schließlich zu sich rief.
    »Lass uns den Fluss entlangspazieren – der Tag ist viel zu schön, um ihn im Haus zu verbringen.« Artor griff nach dem scharlachroten Umhang, der über dem Stuhl hing.
    Oesc zog eine Augenbraue hoch, denn der Wind war frisch gewesen, als er den Hof überquerte. Artors Wangen wurden rot.
    »Nun, vielleicht ist es ein wenig kühl, aber ich weigere mich, hier drinnen eingekerkert zu bleiben. Du kannst ja einen von meinen Mänteln überziehen –«
    Und so gingen sie hinaus, gleichermaßen in königliches Scharlachrot gehüllt und annähernd gleich groß. Aus der Ferne unterschieden sich die beiden Männer nur dadurch, dass Artors Haar dunkler war. Doch Artor war der Herrscher über den größten Teil Britanniens, während Oesc, ungeachtet aller Umstände, sein Gefangener war.
    Ein frischer Wind wehte den Tamesis herauf, der aus dem kräuselnden Wasser kleine Wellen formte, während er den Rauch der Herdfeuer Londiniums am Himmel verblies. Sie hatten beide Recht gehabt, dachte Oesc, während er den scharlachroten Umhang enger um sich zog. Es war kalt, und es war ein wunderschöner Tag. Bei so klarer Luft sollte es möglich sein, flussabwärts bis zum Meer zu sehen. Unvermittelt tauchte vor ihm die Erinnerung von Sonnenlicht auf dem Wasser der Flussmündung unterhalb von Durobrivae auf, und er wandte sich rasch ab.
    »Will Euch niemand sonst Gesellschaft leisten, oder hattet Ihr mir etwas zu sagen?« Zu spät erkannte er, wie unfreundlich seine Worte klangen, und versuchte, sie durch ein Lächeln zu mildern.
    Artor, der südwärts zu den dort vereinzelt liegenden Gehöften und Feldern und dem blauen Band der Hügelländer geblickt hatte, drehte sich mit ernstem Blick zu ihm um. Oesc spürte, wie er gemustert und abgeschätzt wurde; es war ein Blick, den er zu erkennen gelernt hatte, als sie auf Feldzug waren. Dann löste der König den Blick mit einem feinen Lächeln. Aus seinen Augen aber sprach immer noch Sorge.
    »Was ist, Herr?«
    »Ein Bote aus Cantium ist eingetroffen. Dein Großvater ist tot.«
    Oesc spürte, wie ein Muskel in seiner Wange zuckte, dennoch wandte er den Blick nicht ab. »Er war sehr alt. Viele Menschen denken ohnehin, er sei schon vor Jahren gestorben.« Als die Briten mich gefangen nahmen…
    Artor räusperte sich. »Die Botschaft kommt von eurem Witenagemot; es ist ein formelles Ansuchen der Ältesten deines Volkes, dich zu ihnen zurückzuschicken, auf dass du ihr König wirst.«
    Oesc merkte, wie ihm alles Blut aus den Wangen wich. Eine Weile bedurfte es all seiner Willenskraft, sich auf den Beinen zu halten. Dann fühlte er Artors Hand auf dem Arm, und der Nebel vor seinen Augen lichtete sich.
    »Und wie…« Er schluckte und versuchte es erneut. »Wie hat Eure Antwort gelautet?«
    »Ich habe noch keine gegeben. Ich muss dich fragen – willst du gehen?«
    Oesc starrte ihn an. »Ich habe eine Wahl?«
    »Ich kann keinen Mann als meinen Gefangenen halten, der meinen Rücken gedeckt und an meiner Seite gefochten hat«, entgegnete Artor ungeduldig. »Mittlerweile mache ich mir Vorwürfe, weil ich dich bei mir behalten habe. Es war selbstsüchtig von mir. Ich hätte dir diese Wahl schon vor einem Jahr einräumen sollen. Es ist wohl auch an der Zeit, Cunorix ziehen zu lassen.«
    Gedanken und Empfindungen, die so lange unterdrückt gewesen waren, dass Oesc sie vergessen geglaubt hatte, wirbelten ihm durch den Kopf. Als Artor seinen inneren Zwiespalt erkannte, fuhr er fort:
    »Oesc, du hast deinen Platz unter meinen Gefährten verdient. Du bist einer von uns. Mein eigener Großvater war ein Germane im Dienste Roms. Als Mann würde ich dich bitten zu bleiben – viele kämpfen für mich, weil es ihre Pflicht ist, aber nur wenige tun es, weil sie, wenn ich das so sagen darf, meine Freunde sind.«
    Kurze Stille trat ein. Oesc beobachtete, wie eine Möwe der Sonne entgegenflog und dann wieder herabschwebte. Er räusperte sich.
    »Und worum bittet Ihr mich… als König?«
    »Wenn du bei mir bleibst, wird jemand anders in Cantium an die Macht gelangen. Ich kann es mir nicht leisten, einen aktiven Feind vor der Tür zu haben. Als König möchte ich in Durnovaria einen Mann wissen, der sich schlimmstenfalls neutral und bestenfalls vielleicht als Freund verhält.« Nun war er

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