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Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben

Titel: Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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von dir, die Männer zu ersetzen, die wir bei jenem Feldzug verloren.«
    »Du bist ein unbekehrter Heide!«, rief Gai aus.
    »Vielleicht, aber im Norden gelten Festkinder als Segen der Götter.«
    »Ein Mann muss wissen, dass sein Sohn von ihm stammt«, erwiderte Gai.
    »Dann heirate doch und zeuge Kinder!«, entgegnete Gwalchmai. »Wann nimmst du dir eine Frau, Onkel? Ich bin bereits Erbe der Länder meiner Familie – für deine habe ich keine Verwendung!«
    Seine Mutter wäre wohl verärgert darüber, ihn derlei Worte sprechen zu hören, dachte Bediver. Morgause galt als überaus ehrgeizig, was ihre Söhne betraf. Er hatte gehört, dass sie noch einen fünften Sohn geboren hatte.
    Artor schüttelte den Kopf. »Könige gehen keine Ehen, sondern Bündnisse ein. Solange ich unverheiratet bin, darf jeder Mann guten Blutes darauf hoffen, seine Tochter zur Königin zu machen.«
    »Ich schätze, Oesc wird nun sesshaft werden und eine Horde flachshaariger Bälger aufziehen«, meinte Bediver.
    »Das wird er wohl – «, seufzte Artor. Die Wirkung des Weins ließ unverkennbar nach. Die Traurigkeit war in seine Augen zurückgekehrt.
    »Tut es dir so leid, ihn zu verlieren?«, fragte Gai barsch. »Oesc ist trotz seiner Launenhaftigkeit ein netter Kerl, und wir werden ihn wohl alle vermissen. Aber wir sind doch noch da!«
    »Das stimmt.« Artor streckte den Arm aus, um ihre Hände zu ergreifen. »Aber ich schätze jeden von euch auf eine andere Weise. Ich fürchte, wenn ich Oesc wieder sehe, wird er wie ein Fremder sein, und dann könnte er für mich ebenso gut tot sein.«
    Bediver fühlte die Hand des Königs stark und warm in der seinen, doch in Gedanken befand Artor sich weit entfernt. Er verstärkte den Griff, versuchte, ihn zurückzuholen. Mein lieber Herr, sind wir Euch etwa nicht genug?
     
    An einem lauen Frühlingsabend kurz vor Ostara ritt Oesc über die Brücke nach Durovernum. Er trug eine britische Tunika, saß auf einem edlen britischen Pferd, das Artor ihm geschenkt hatte, und obwohl er seit einer Woche mit seiner sächsischen Hausgarde ritt, dachte er immer noch in britischer Sprache.
    Die Ruine des Theaters stand immer noch gleich einem Mahnmal inmitten der befestigten Stadt, doch die Mauern selbst wirkten niedriger, und einige der anderen römischen Bauwerke, an die er sich erinnerte, waren als Baumaterial ausgeschlachtet worden. Die sächsischen Langhäuser wirkten unter dem Gewicht ihrer Rieddächer wie Schafe mit flauschigem Vlies, und alles, was er sah, erschien ihm klein, ärmlich und alt.
    Als sie vor dem Herrschaftssitz die Pferde zugehen, tauchte eine Gestalt in der Tür auf, die mit der Hand die Augen gegen die im Westen stehende Sonne abschirmte. Der Mann rief etwas, und sogleich erschien Haedwig mit Hengests Silber gefasstem Met-Horn in den Händen. Durch ihr Haar zogen sich mehr silbrige Strähnen, als Oesc in Erinnerung hatte, abgesehen davon jedoch hatte sie sich kaum verändert.
    »Oesc, Sohn des Octha – waes hal! Sei willkommen in deinem Herrschaftssitz!«
    Sie kam die Stufen herab, und Oesc nahm das Horn entgegen. Der Met schmeckte stark und herb und hatte einen zugleich süßen und feurigen Nachgeschmack, der eine wahre Flut von Erinnerungen auslöste. Abermals trank er, benommen vom Ringen seines alten Wissens mit dem neuen, vorübergehend unschlüssig, wer und wo er war.
    »Danke«, murmelte er, sich an den Förmlichkeiten festklammernd. Ein Leibeigener kam herbei, um sich des Pferdes anzunehmen. Oesc schwang ein Bein über den hohen Knauf des Sattels und glitt zu Boden. Hinter ihm stieg seine Eskorte ab. Weitere Leibeigene führten auch ihre Pferde fort. Ein Horn ertönte, und er hörte Menschen rufen.
    So lange, dachte er, habe ich von diesem Augenblick geträumt. Und nun schien die Fähigkeit, ihn auszukosten, in ihm abgestorben. Was tue ich hier? Wie kann ich König dieser Menschen werden? Ob Artor mich wohl wieder aufnähme?
    Haedwig sagte etwas zu ihm. Er zwang sich, ihr zuzuhören.
    »Du bist müde. Komm mit ins Haus.«
    Dankbar nickte er und folgte ihr.
    Drinnen war es kühl und düster. Nachdem seine Augen sich an das Halbdunkel angepasst hatten, wies ihm das Abendlicht, das schräg durch die geöffneten Rauchabzüge unter den Traufen an beiden Enden des Hauses einfiel, die geschnitzten und bemalten Pfosten, welche das Spitzdach und die mit Vorhängen abgetrennten Kammern zu jeder Seite stützten. Er hatte sich an eigene Schlafgemächer und Steinsäulen gewöhnt. Der Geruch biss

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