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Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben

Titel: Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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dich leiten«, erwiderte Haedwig mit der Gewissheit einer Prophezeiung.
     
    »Ich trinke auf Hengest, den weisesten aller Krieger, den Ersten, der König in den britischen Landen wurde.« Aelle hob sein Trinkhorn, und die anderen folgten seinem Beispiel unter zustimmendem Gebrüll.
    Oesc, der auf einer Bank vor dem Thron saß, ließ den Blick über die dicht gedrängten Männer in der Halle wandern. Kurz nach den Ostara-Opferungen, wenn die Könige der Tradition gemäß mit ihren Häuptlingen feierten, waren sie nach und nach eingetroffen, um Hengests Totenbier zu trinken.
    Oesc hatte mehr oder weniger damit gerechnet, dass Aelle seinen Sohn Cymen mitbringen und dass Ceredic aus Venta herüberkommen würde, und er hatte gewusst, dass Hengests Lehnsleute, Hrofe Guthereson, Haesta und die anderen, hier sein würden. Doch er war überrascht darüber, wie viele andere die Reise angetreten hatten – greise Männer, die in Hengests Schlachten gekämpft hatten, ebenso junge Männer, für die jene Schlachten bereits Legende waren. Sogar eine kleine Gruppe aus Gallien war eingetroffen, um die Beileidsbekundungen Chlodwigs, des Königs der Franken, zu überbringen.
    Jeden Tag sprossen auf dem Feld jenseits der Halle weitere Zelte, als sich neue Ankömmlinge niederließen. Gut, dass Artor ihn mit so vielen Schätzen bedacht hatte, sinnierte Oesc reuig, denn dieses Fest würde ihre Vorräte erschöpfen. Er gab sich nicht der falschen Vorstellung hin, all diese Leute wären seinetwegen gekommen. Hengest hatte als Vater der sächsischen Völkerwanderung gegolten. Mit seinem Tod endete eine Ära.
    Mittlerweile hatte das Methorn in jener Nacht bereits viele Male die Runde gemacht. Lachend meinten die Männer, es sei an der Zeit, dass die Halle eine Königin bekäme, um die Krieger zu ehren. Hengest sei ein alter Wolf gewesen, der lieber sein Schwert als eine Frau umarmte, aber Oesc habe noch Saft in den Lenden. Er solle sich ein Weib nehmen – alsbald drehte sich das Gerede um derbe Mutmaßungen. Aelle hatte Enkelinnen, Mädchen von edler sächsischer Geburt, die ihm starke Söhne schenken würden. Ceredic hatte eine kleine Tochter, doch bis sie reif für einen Gemahl wäre, musste noch gut ein Dutzend Winter verstreichen. Die Herrscher der Gebiete der Angeln legten nahe, dass ihm eines der Mädchen aus Icels Volk ein nützliches Bündnis bescheren könnte. Sogar Chlodwigs Vertreter mischte sich ins Gespräch und wies darauf hin, dass auch sein Herr heiratsfähige Töchter hätte und Cantuware Häfen besäße, die aus Handel mit den Franken Vorteile ziehen könnten.
    Oesc schüttelte nur lachend den Kopf. »Nein, ich muss erst sehen, wie ich auf den Thron meines Großvaters passe, ehe ich jemanden suche, mit dem ich ihn teile. Gebt mir ein Jahr oder drei Zeit, um mich an meine Königswürde zu gewöhnen. Ich verspreche euch, danach will ich ein Bündnis erwägen.«
    Hrofe begann davon zu erzählen, wie Hengest seine Tochter Reginwynna mit dem Vor-Tigernus verheiratet hatte, und Oesc lehnte sich seufzend zurück. So lange Zeit hatte selbst der Gedanke an eine Ehe außer Frage gestanden; an die Vorstellung einer bedeutenderen Verbindung als seinen kurzen Begegnungen mit Dirnen oder Mägden musste er sich erst gewöhnen. Noch wichtiger aber war, dass jedwede Ehe, die er einging, für ihn gleichsam ein Bündnis verhieß. Hätte Artor noch eine andere Schwester – seine Lippen zuckten, als er sich an die überwältigende Schönheit von Leudonus’ Königin erinnerte. Selbst wenn Morgause noch frei wäre, bedürfte es eines mutigen Mannes, sie zur Frau zu nehmen. Zudem galt sie als ungemein fruchtbar. Es hieß, neun Monate nach dem Lugus-Fest hätte auch sie einem Knaben das Leben geschenkt, den ihr Gemahl als den seinen anerkannte.
    Tief in derlei Gedanken versunken, war Oesc entgangen, dass Andulf zu singen begonnen hatte.
     
    »… Wo einst er besessen
    alles Glück der Welt, ließ grausamer Krieg
    die Vorkämpfer Finns bis auf wenige fallen,
    dass nicht er an jenem Ort der Begegnung
    mit Krieg gegen Hengest den Kampf beende
    noch die Letzten der Schar im Streite trenne
    von des Königs Edlem…«
     
    Es war die Geschichte des Kampfes in der Finnsburg, der ersten von Hengests Großtaten, obschon Hengest selbst sich ihrer nie gebrüstet hatte; eine harsche und bittere Geschichte, die davon berichtete, wie Hengest die Heerschar des Dänenkönigs Hnaef zu einem Besuch bei seinem Schwager, dem Friesen Finn, führte. Nachdem aus der

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