Broken (German Edition)

sie sich in der Klinik begegnet, wo Fatu und Miki Patientinnen gewesen waren. Gehörte er zum Klinikpersonal? Oder war er Patient? Konnte er auch Miki dort kennengelernt haben? Oder hatte er seine Fixierung auf meine Cousine über Geschichten in der Boulevardpresse entwickelt, über ihre Fotos in Zeitschriften? Vielleicht war sie ihm einfach irgendwo aufgefallen. Die Klinik war eines der größten Zentren für affektive Störungen und Suchtkrankheiten hier im Südosten. Es war durchaus davon auszugehen, dass die meisten Süchtigen in der Region, die einen stationären Entzug brauchten, zu irgendeinem Zeitpunkt im Peachtree-Ford-System gewesen waren. Dass dies auch auf Miki und Fatu zutraf, war nicht das entscheidende Element, nach dem ich suchte. Und wie passten Donald Kelly und Troy Delgado da hinein? Keiner von beiden war wegen einer Sucht in Behandlung gewesen. Und soweit ich wusste, hatte keiner von beiden eine psychische Erkrankung gehabt.
    Williams wandte sich wieder seinem Computer zu. Ich ging weiter die Habseligkeiten des toten Mannes durch. Ich dachte daran, wie er in Mikis Haus gehangen hatte, kreidebleich und kalt.
    «Sehen Sie sich das hier mal an», sagte Williams. «Levi Sobols Facebook-Seite. Keine Einstellungen zum Schutz der Privatsphäre aktiviert. Irgendwer sollte den Kids mal beibringen, was Sicherheit im Netz bedeutet.»
    Ich ging zu ihm und blickte auf seinen Monitor. Da war der nett aussehende Junge von den Fotos in der Brieftasche. Aber er trug eine rote Baseballkappe und eine weiße Kluft mit roten Streifen. Cardinals stand in roten Lettern darauf. Williams klickte durch Sobols Facebook-Fotoalbum. Er fand ein Mannschaftsfoto – drei Reihen Jungen in Trikots. Die untere Reihe war im Schneidersitz, und sie hielten ein Schild mit der Aufschrift Atlanta Sommer-Verbandsliga .
    An der hinteren Wand – neben der riesigen Kombination aus Whiteboard und Pinnwand mit einer Liste von ungelösten Fällen und wichtigen Informationen, die von den Ermittlern laufend ergänzt wurden – hingen Fotos von Opfern, bevor sie Opfer wurden, als sie einfach Studenten oder Mütter oder Baseballspieler oder Hundefreunde gewesen waren. Ich ging hin und sah mir ein Foto von Troy Delgado an, auf dem er als Pitcher zu sehen war. Wurfhandschuh, Arme herunterhängend, albernes Kinderlächeln, das verriet, dass er widerwillig für einen Elternteil posierte und es nicht erwarten konnte, dass das Foto endlich im Kasten war. Ein blauer Schriftzug auf seinem Trikot lautete Blue Jays . Ich musste an den Brief denken, den der Coach an Troys Eltern geschrieben hatte und der geöffnet worden war. Der Brief, in dem stand, dass Troy außergewöhnlich talentiert war.
    Rauser stellte sich neben mich und sah mir zu. «Welche Teams sind in der Liga?», fragte ich. «Falls die Blue Jays drin sind, können wir eine Spielerliste haben?»
    «Beide Teams sind in derselben Liga», meldete Williams einen Moment später, und wir hatten unsere erste Verbindung.
    «Sehen wir mal, ob die irgendwann gegeneinander angetreten sind.» Rauser nagte vor Anspannung an der Unterlippe. Die Energie, die er ausstrahlte, war fast körperlich spürbar. «Balaki, rufen Sie diesen Fahrer an. Mal sehen, was er weiß.»
    «Der Spielplan ist online», sagte Williams. «Und seht euch das an. Delgados Team hat in dieser Saison schon zweimal gegen Levi Sobols Team gespielt.»
    «Lieutenant», sagte Balaki. Er hielt die Sprechmuschel des Telefonhörers mit einer Hand zu. «Mr. Balasco sagt, dass er den alten Mann ein paarmal zu Spielen gefahren hat, wo der Junge mit von der Partie war. Er glaubt, einer von den anderen Fahrern auch. Er holt gerade seinen Einsatzplan.» Balaki kritzelte etwas auf seinen Notizblock. «Danke, Mr. Balasco. Ja, Sir. Einen schönen Tag noch, Sir.» Er legte auf. «Am einundzwanzigsten Mai und am dritten Juni wurde Mr. Kelly zum Baseballstadion gefahren.»
    «Das stimmt mit dem Spielplan überein», sagte Williams. «Dritter Juni. Die Blue Jays gegen die Cardinals.»
    Rauser klatschte in die Hände. «Na bitte, Leute. Zwei Opfer zur selben Zeit am selben Ort. Gute Arbeit. Okay, wir nehmen noch mal die Ehrenamtlichen vom Seniorenfahrdienst unter die Lupe. Jeden Fahrer, der Kelly zum Stadion kutschiert hat, diesen Balasco eingeschlossen. Mal sehen, ob er zu einem Lügendetektortest bereit ist. Fragt in der Seniorenwohnanlage nach, wann Kelly wohin gefahren ist. Die Bewohner und Pflegekräfte müssen sich austragen, wenn sie die Anlage