Broken (German Edition)
geparkt, war ausgestiegen und eine Betonschräge zu einem überdachten Sims hochgeklettert. Zwei weitere Autos hielten, und am Ende wartete ich dort mit vier Fremden – einem Mann und seiner kleinen Tochter und einem Paar in den Sechzigern, das aussah, als wäre es gerade vom Mittagessen in einem gutbürgerlichen Restaurant gekommen. Wir hatten alle mit angesehen, wie die Trichterwolke Richtung Interstate tobte, immer breiter wurde und Trümmerteile herumwirbelte. Und dann prasselten Hagelkörner, so dick wie Walnüsse, auf den Boden. Mir gingen die Ohren zu, und dann hörte es sich an, als würde eine Boeing 767 direkt auf uns landen. Die Luft wurde schwarz. Ich konnte nicht atmen. Der Mann neben mir hielt seine kleine Tochter mit aller Kraft umklammert, damit sie ihm nicht aus den Armen gesogen wurde. Sechzig Sekunden Panik und unkontrolliertes Chaos riefen uns allen in Erinnerung, wie klein wir waren, wie flüchtig unsere Zeit auf Erden. Übrigens war das das erste Mal, dass mein Vater mein Auto wieder zusammenflicken musste, aber es sollte nicht das letzte Mal sein.
Wir gingen nach unten und setzten uns auf zwei freie Plätze neben Levi Sobols Eltern. Sie überschlugen sich nicht gerade vor Wiedersehensfreude. «Lieutenant. Was machen Sie denn hier?», fragte Phil Sobol. Keiner von beiden lächelte. Wenn du Besuch von einem Cop bekommst, kurz nachdem ein Gewaltverbrechen deine Familie erschüttert hat, befürchtest du bestimmt die nächste Hiobsbotschaft. Genau das stand den Sobols ins Gesicht geschrieben.
Rauser gab sich gleichgültig, sagte, er sei aus einem anderen Grund hier, wolle bloß hallo sagen. Er stellte mich beiläufig vor, ohne Erklärung.
«Geht es um den Jungen von den Blue Jays?», wollte Virginia Sobol wissen. «Eine schreckliche Sache. Glauben Sie, irgendjemand hier draußen war es?»
Rauser schaute sich das Spiel an, klopfte sich zerstoßenes Eis aus dem Becher in den Mund. Er war die Ruhe in Person. Er warf Virginia Sobol einen Seitenblick zu. «Sie kannten ihn?»
«Jeder kannte ihn», antwortete sie. Sie war ein wenig mollig, hatte braune Augen und unter ihrer Cardinals-Kappe dunkles Haar, das sie hinter die Ohren geschoben hatte. «Er war der gefährlichste Werfer überhaupt. Jeder Batter in der Liga hatte Angst vor ihm.»
«Der Junge war eine Maschine», sagte Phil Sobol. «Dreizehn Jahre alt, und jeder Ball von ihm achtzig Meilen die Stunde. Jeder, der kein Blue-Jay-Fan war, hat den Burschen gehasst.» Seine verblüffte Gattin gab ihm einen Klaps aufs Bein.
«Es kann hier schon mal ein bisschen hitzig werden. Eltern sehen ihre Kinder nicht gern verlieren», erklärte sie verteidigend.
Phil Sobol klatschte in die Hände. «Zeig’s ihnen, Levi», brüllte er.
«Manchmal herrscht hier wirklich helle Aufregung», sagte Mrs. Sobol. «Aber ich wüsste nicht einen, der dem Jungen oder irgendeinem anderen Kind auch nur ein Haar hätte krümmen wollen.»
Holz knallte gegen einen Ball, und wir drehten den Kopf. Wer das einmal gehört hat, vergisst es nie wieder – Musik in den Ohren eines jeden Baseball-Fans. Levi hatte einen weit ins linke Feld geschlagen. Wir waren aufgesprungen. Mit angehaltenem Atem sahen wir zu, wie der Junge die erste Base umrundete und auf die zweite zurutschte. Eine Hälfte der Tribüne brüllte begeistert; die andere schimpfte. Als der Pitcher das nächste Mal warf, wagte sich der Junge ein paar Schritte von der Base weg. Der Pitcher blickte über die Schulter, täuschte einen Windup vor, drehte sich dann blitzschnell um und warf den Ball zum zweiten Baseman. Levi hechtete zurück, berührte die Base mit den Händen zuerst.
«Aus» , schrie der Schiedsrichter an der Base. Keine fünfzehn Sekunden später war Levi Sobols Coach auf dem Feld und baute sich so dicht vor dem Schiedsrichter auf, dass dem die Mütze vom Kopf rutschte und sein glänzender, glatt geschorener Schädel zum Vorschein kam. Er hob die Mütze wieder auf, schlug sich damit wütend gegen das Hosenbein und setzte sie sich wieder auf den Kopf. Die Zuschauer auf beiden Tribünen waren aufgesprungen. Es war wie auf dem Schulhof kurz vor einer Schlägerei. Phil Sobol und andere Eltern tobten und fochten geschlossen die Sichtweise des Schiedsrichters an. Der Coach kickte dem Schiedsrichter Sand auf die Schuhe. Der Schiedsrichter presste dem Coach einen ausgestreckten Finger gegen die Brust. Die Gesichter der beiden Männer waren zu dicht beieinander. Irgendjemand lief zu dem Coach und zog ihn vom
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