Broken (German Edition)
ihre Gabel in den Kuchen. Dickflüssige dunkle Schokolade lief auf den Teller. «Ist es wirklich wichtig?»
«Nein. Nicht mehr.»
Miki legte ihre Hand auf meine. «Ich will mir gar nicht vorstellen, wie meine Kindheit ohne dich und Jimmy ausgesehen hätte.»
Ich mochte meine Cousine. Irgendwie vergaß ich das immer in der langen Zeit, die wir uns zwischendurch nicht sahen. Ich mochte sie nüchtern. Letzte Nacht weniger. Ich hatte in meinem Leben genug Drama gehabt. Ich war ihrem aus dem Weg gegangen. Vielleicht war ich nicht für sie da gewesen, als sie eine Familie gebraucht hätte. Mikis Mutter war seit Jahren in einer Einrichtung. Ihr Vater war tot. Jimmy und ich und unsere Eltern waren ihre einzigen Angehörigen. Sie hatte recht: Als Kinder waren wir uns nahe gewesen.
Ich dachte wieder daran, dass Miki einkaufen gegangen war und dann Essen bestellt hatte. Oder kein Essen bestellt hatte. Oder sich nicht erinnern konnte, Essen bestellt zu haben. Und nicht ans Telefon gegangen war. Ich dachte an die Narben an ihren Armen und die verstörende Dunkelheit in ihrem Innern. Ich dachte daran, wie provokant und trotzig sie letzte Nacht in der Bar gewesen war. Creeklaw County und der falsche Urneninhalt wurden immer attraktiver.
«Danke, dass du gestern Nacht für mich da warst.» Miki musste mir etwas angemerkt haben. «Ich war ganz schön durch den Wind. Und ich hab ein bisschen zu viel getrunken.»
«Verständlich.»
«Tut mir leid, dass ich noch hier bin, Keye. Tut mir leid, dass ich deine Klamotten trage.»
Ich belud meine Gabel mit Schokoladenkuchen. «Das sollte dir auch leidtun. So eng wie dir die Jeans im Schritt sitzt.»
Sie lachte. «Morgen fahre ich nach Hause, versprochen. Ich hab einfach noch zu viel Schiss. Ich brauche einen Tag.»
«Schon gut. Du gehörst zur Familie.» Ich dachte daran, dass ich zwischendurch bei ihr gewohnt hatte, als meine Wohnung eine einzige Baustelle war. Sie hatte mir, ohne mit der Wimper zu zucken, ihren Zweitschlüssel gegeben.
Ich spürte, wie White Trash sich um die Beine meines Hockers schlängelte. Sie war gewiefter als jeder Bettler, den ich je auf der Peachtree Street getroffen hatte. Ich angelte ein Stück Feta aus dem Salat und warf es ihr hin. «Hör mal, ich hab einen Auftrag oben in Big Knob. Wenn du also die Wohnung noch ein paar Tage für dich allein haben willst, kein Problem.»
«Big Knob?»
«Frag bloß nicht. Ich werde Mom bitten, vorbeizukommen und sich um White Trash zu kümmern.»
«Machst du Witze? Ich kann mich doch um White Trash kümmern. Wir sind dicke Freunde.»
«Ich meine, sich richtig um sie kümmern.»
«Ich bin mit Katzen und Hunden aufgewachsen, genau wie du, Keye. Ich weiß, was sie brauchen.»
«Das Katzenklo muss gereinigt werden, und sie braucht frisches Wasser und Fressen und so.»
«Ach, was du nicht sagst. Na, dann eben nicht», sagte Miki. «Schon kapiert. Du denkst, ich bin drogensüchtig. Und unzuverlässig. Sonst noch was?»
«Ich denke, du bist möglicherweise Alkoholikerin», sagte ich. Ich hatte keine Lust, um den heißen Brei herumzureden. Und ich würde meine Katze garantiert niemandem überlassen, dem ich nicht vertrauen konnte. Ich hatte White Trash kurz nach meinem Einzug ins Georgian Terrace auf der Peachtree Street aufgelesen, wo sie in einer Mülltonne frühstückte, halb verhungert, über und über voll mit Parasiten aller Art, halb wild und extrem undankbar ob meiner Bemühungen. Aber sie gewöhnte sich erstaunlich schnell an regelmäßige Mahlzeiten und menschliche Zuwendung. Fremde machen ihr noch immer erst mal Angst, ebenso wie Rausers schwere Schuhe auf meinem Parkettboden. Er nimmt meistens Rücksicht auf ihre Neurosen und versucht, nicht zu hart aufzutreten. Oder er zieht seine Quadratlatschen aus, wenn er reinkommt.
«Ich hab mir gestern Nacht zu viel reingezogen, Keye. Das ist sonst nicht meine Art. Ehrenwort. Ich werde mich ganz toll um sie kümmern. Und ich bin dir dankbar, dass du mich hier wohnen lässt. Das bedeutet mir viel.»
«Wo ist das Koks?»
«Weg. Ehrlich, ich war mit Freunden aus. Wir haben zusammen gegessen, getrunken, ein bisschen gekokst. Ich hatte noch einen kleinen Rest. Das ist alles.»
«Super», sagte ich, aber ich hatte bereits beschlossen, Mutter anzurufen und sie zu bitten, bei Miki und meiner mürrischen Katze nach dem Rechten zu sehen. Miki hatte offen zugegeben, getrunken und gekokst zu haben, bevor sie den Mann durch ihr Wohnzimmerfenster gesehen hatte. Falls da
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