Broken (German Edition)
habe die einzigen hundertachtzig Quadratmeter in dem Gebäude, über die der Manager keine Kontrolle hat. Ich versuche, respektvoll zu sein. Ich bin mir durchaus darüber im Klaren, dass ich in jedem anderen Winkel des Georgian Terrace nur Gast bin. Die Wohnung habe ich vom Vorbesitzer erworben, nachdem ich ihm geholfen hatte, ein paar persönliche Probleme zu lösen. Genauer gesagt hatte ich nachweisen können, dass seine Frau ihn betrog, bevor sie bei der Scheidung einen unverschämt großen Teil seines Vermögens einstrich. Als ich die Wohnung renovierte, blockierten meine Handwerker die Tiefgarage mit ihren übergroßen Fahrzeugen, stellten einen Baumüllcontainer auf, marschierten mit total verdreckten Schuhen raus und rein und zeigten sich nicht immer sensibel gegenüber den täglichen Sorgen und Mühen der neuen Hotelleitung. Die wenigen Male, die White Trash das Gebäude verlassen muss, spüre ich förmlich, mit welchem Unmut ich beäugt werde, wenn ich eine sperrige Box mit einer jaulenden Katze drin durch die Lobby schleppe. Wie kommt es, dass himmelhohe Decken und Kristallglas und Marmor so etwas wie eine Echokammer bilden, wenn eine unglückliche Mieze die Stimme erhebt? Und White Trash weiß einfach nicht, wann es reicht. Sie gibt nicht bloß ein leises Miauen von sich, sondern ein laut jammerndes Wehklagen. Wenn wir es vom zehnten Stock in die Lobby geschafft haben, kommt sie erst so richtig in Fahrt. Jeder, der das Pech hat, mit uns zusammen im Aufzug zu fahren, stolpert anschließend mit glasigem Blick als lebenslanger Katzenhasser ins Freie.
Ich musste mich erst daran gewöhnen, die einzige Eigentumswohnung im Hotel zu besitzen. Die Anonymität einer wechselnden Nachbarschaft hat zwar an einem schlechten Tag durchaus Vorteile, doch anfangs fehlte mir ein gewisses Gemeinschaftsgefühl. Mit der Zeit jedoch kristallisierte sich eine Nachbarschaft von Angestellten heraus – Service- und Reinigungskräfte, die Baristas, Köche, Taxifahrer und Sicherheitsleute, Rezeptionisten und Hoteldiener. Sobald klar war, dass ich nicht wie ein Gast behandelt werden musste, durfte ich mich in diese Gemeinschaft einschleichen, wenn man nach Feierabend noch gemeinsam aß und dabei über Gäste und Vorgesetzte und manchmal Kollegen meckerte und tratschte. Vor zwei Monaten wurden Rauser und ich zu einer Poolparty auf dem Dach eingeladen. Alles topsecret. Der Manager war nach Hause gegangen, ohne eingeladen oder informiert worden zu sein. Mitarbeiter der zweiten und dritten Schicht sprangen gegenseitig füreinander ein, damit jeder mal dabei sein konnte. Rauser trank zu viel und ging in Unterhose schwimmen, zusammen mit Marko, dem tollen Koch im Livingston Restaurant des Hotels. Als zu sehr später Stunde nur noch ganz wenige da waren, machten wir es uns in den Liegestühlen am Pool bequem. Rauser und ich teilten uns einen, und ich lehnte mich in seine Arme. Mit Atlantas lila Schachbrett-Skyline vor den Augen, erzählte jeder von uns ein bisschen über sich und sein Leben. Jede Geschichte führte irgendwie zu einem weiteren Gespräch, und ich weiß noch gut, wie der Tag allmählich heraufdämmerte und Rausers Atmung sich veränderte. Er war eingeschlafen, während er mich noch immer in den Armen hielt.
«Hallo, liebe Freundin», dröhnte der kräftige Bass von Marko Pullig mit seinem starken slawischen Akzent, als ich fast an den glänzenden Messingaufzügen war. «Das hier wollte ich gerade hoch zu Miki bringen.» Er balancierte ein zugedecktes Tablett. Er beugte sich vor, hielt mir erst die eine, dann die andere Wange hin.
«Zimmerservice steht mir nicht zur Verfügung, Marko.»
Er warf einen Blick in Richtung des Hotelmanagers, der sich auf der anderen Seite der weitläufigen, schimmernden Lobby mit einem Mitarbeiter unterhielt. «Die Bestellung ist direkt ins Restaurant gekommen. Da ich das Glück hatte, deiner bezaubernden Cousine heute in der Lobby zu begegnen, habe ich mich freiwillig gemeldet.»
«Marko, willst du meine Cousine anbaggern?»
«Keye, bitte. Entdecke deine romantische Seite. Wir haben doch schon darüber gesprochen. Man kann auch zu fest geerdet sein.»
O ja. Genau das bin ich. Geerdet.
«Ich sehe das lieber als die Möglichkeit, eine neue Liebe zu erkunden», sagte Marko.
«Aha. Wie dem auch sei, ich glaube nicht, dass Miki da ist. Ich hab ein paarmal versucht, sie anzurufen.»
«Du siehst besorgt aus. Entspann dich. Sie war einkaufen. So hab ich sie kennengelernt. Ich hab ihr geholfen, die
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