Broken (German Edition)
eins sage ich dir, mich hält keiner auf. Ich werde die nächste Paula Deen.» Dramatische Pause. «Nur hübscher.»
Ich lachte. «Was hält die derzeitige Paula Deen davon, dass du sie aus ihrer Kochshow verdrängen willst?»
«Nicht verdrängen, Keye, ablösen. Ihre Zeit ist um.»
«Bye, Mom. Ich hab dich lieb.» Ich legte auf und lehnte den Kopf gegen den Sitz. «Gott.»
«Na? Wie geht’s Emily?» Neil lächelte mich an.
«Sie wird immer brutaler. Sie ist der Hammer. Ein Scheißeispickel im Auge.»
Neil und meine Mutter hatten einander nicht riechen können. Nachdem sie sich kennengelernt hatten, beschwerten sich beide unter vier Augen bei mir über die Unhöflichkeit des jeweils anderen. Aber als letztes Jahr die Hölle losbrach, rauften die beiden sich zusammen: Neil schmiss den Laden, und Mutter half ihm dabei, ging ans Telefon und kümmerte sich um Ablage und Rechnungen. Wie durch ein Wunder mochten sie sich seitdem.
«Sie ist … der … Pickel …», sagte Neil auf die seltsame, abgehackte Art, die mir verriet, dass er die Worte tippte, während er sprach. «Und ich bin das Eis.»
«Du twitterst das?»
«Neuer Facebook-Status», sagte er. «Fünfundvierzig Leuten ‹gefällt› es bereits.»
Ich fuhr wieder los und folgte einer kleinen, von Muskateller-Rebstöcken gesäumten Straße, vorbei an Koppelzäunen, Schwingelgraswiesen und weidenden Pferden. Die Magnolien blühten, und der zitrusartige Duft, der in den offenen Wagen wehte, brachte Erinnerungen an meine Südstaatenkindheit mit sich. Ich weiß noch, wie ich zusammen mit Jimmy unter dem mächtigen Magnolienbaum in unserem Garten in Winnona Park saß und den köstlichen Duft einatmete – wie Zitronencreme und Butter. Wir wollten die Blüten für Mutters Tisch pflücken und zogen sie, ohne sie zu berühren, an ihren kurzen, dicken Stängeln vom Baum. Mutter hatte uns gewarnt, dass Magnolienblüten weinen, wenn Menschen sie anfassen. Und tatsächlich, überall da, wo unsere kleinen Finger versehentlich ein üppiges weißes Blütenblatt streiften, erschien ein brauner Fleck, der uns verriet. Und da ist noch etwas: Dieser Baum und die großen, wohlriechenden Blüten sind meine früheste Erinnerung daran, wie ich mit meinen neuen Eltern nach Hause kam, nachdem ich meine Großeltern verloren hatte, nach dem Schock, ihre Ermordung mit ansehen zu müssen, und dem Schock, bei Fremden zu leben – bei einer Pflegefamilie, in einem Kinderheim. Ich musste an die schreiende Frau auf dem Bildschirm denken, deren Kind am Abend zuvor erwürgt worden war, und daran, wie Trauer das ganze Leben durchzieht.
«Die Nächste rechts», sagte Neil mit Blick auf die Karte in einem der in seinem Schoß liegenden Geräte.
Weiße Zäune umgaben das Gelände. Ein Wachhäuschen stand genau in der Mitte einer zweispurigen Ausfahrt, weiß gestrichen und mit einem eigenen kleinen Zaun, passend zu den anderen. Als wir anhielten, kam ein uniformierter Wachmann mit einem Klemmbrett heraus und watschelte die Stufen herunter. Keine Waffe, registrierte ich.
«Kann ich Ihnen helfen?» Er war in den Vierzigern, schütteres Haar, verquollene Augen. Ein Zweitjob, dachte ich. Der hier konnte nicht viel einbringen.
«Hi.» Ich lächelte. «Wir wollen zu Murdock Nummer achthundertachtundzwanzig.»
«Zu Mr. Tilison?» Er warf einen Blick auf sein Klemmbrett. «Ihr Name, bitte.»
«Keye Street.»
Er sah wieder zu mir hoch. «Tut mir leid, Ma’am. Sie stehen nicht auf der Gästeliste. Erwartet Mr. Tilison Sie?»
«Es ist eine Überraschung», sagte ich wahrheitsgemäß.
Der Wachmann lächelte nachsichtig. «Ja, Ma’am. Mr. Tilison bekommt öfter Überraschungsbesuch. Es tut mir wirklich leid. Aber ich kann Sie nicht reinlassen, wenn Sie nicht auf der Liste stehen.» Er blickte Neil an.
Ich zeigte ihm meinen Ausweis mit dem Staatssiegel von Georgia, der gedruckten Unterschrift des Innenministers, dem Namen meiner Firma und meinem Namen plus Adresse. Ich hatte auch eine Dienstmarke, beschloss aber, sie nicht hervorzuholen.
Er gab mir den Ausweis zurück. «Dieselbe Behörde, die Ihnen den ausgestellt hat, ist auch für die Zulassung von Sicherheitspersonal zuständig. Ich hab fast genauso einen.»
«Es geht um eine Freundin von Mr. Tilison», sagte ich. «Ich muss ihn wirklich dringend sprechen.»
«Es tut mir leid, Ms. Street, aber ich muss Sie bitten, wieder zu fahren.»
«Neil, würdest du bitte Cash anrufen?» Ich war nicht begeistert, Tilison vorzuwarnen. Ich
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