Broken (German Edition)
große Auflaufform, die schon so oft benutzt worden war, dass sie mit bernsteinfarbenen Flecken besprenkelt war. Sie gehörte Mrs. Kirkpatrick. Unter dem Vorwand, das Prachtstück zurückzubringen, wollte Mary Kate bei den Kirkpatricks ins Haus platzen und Neil als ihren Neffen aus Atlanta vorstellen.
«Beschäftigt sie ein paar Minuten und simst mir, wenn irgendwas passiert», sagte ich zu ihren Hinterköpfen. «Zum Beispiel, wenn Joe Ray früher nach Hause kommt.»
«Klar», sagte Neil. «Ich simse dir. Ist ja auch total unverdächtig.»
«Das wird sie nicht stutzig machen», sagte Mrs. Stargell, während sie den makellosen Cadillac über den Feldweg steuerte. «Ihr aus der Stadt taucht doch alle mit gesenktem Kopf und so einem Ding in der Hand hier auf. Bei einer polizeilichen Gegenüberstellung könnten wir euch gar nicht identifizieren. Und Joe Ray kommt praktisch nie vor vier nach Hause. Ich glaube, er hat was mit einer verheirateten Frau in der Stadt. Er muss weg sein, bevor ihre Kinder und ihr Mann nach Hause kommen.»
Ich betrachtete die beiden einen Moment und musste lächeln. «Hey, wenn wir hier fertig sind, vielleicht könnt ihr zwei dann mal was zusammen trinken gehen oder so. Euch besser kennenlernen.»
Ich sah, wie sich die Haut in Neils Augenwinkeln ein ganz klein wenig kräuselte. «Eifersucht ist ein hässliches Gefühl, Keye.» Wir näherten uns dem Haus. Neil sah Mary Kate an. «Ich hab allerdings ein bisschen Gras dabei. Haben Sie schon mal Gras probiert, Mrs. Stargell?»
Mrs. Stargell hielt an, stellte den Schalthebel auf Parken. «Wissen Sie, was? Das hab ich schon immer mal probieren wollen, aber mein Mann, Gott hab ihn selig, war dagegen.»
«Na, dann also abgemacht», versprach Neil ihr. Sie stiegen aus dem Wagen. Neil grinste zu mir herunter, zog ein doofes Gesicht, machte Schielaugen.
Reglos lag ich in der Mittagshitze auf der Rückbank. Die Sonne brach durch die Wolken und röstete mich. Ich konnte hören, wie die beiden anklopften, dann Mary Kates brüchige Stimme, als sie nach Mrs. Kirkpatrick rief. Schließlich gedämpfte Begrüßungen. Ich lugte nach draußen und sah, wie Mrs. Kirkpatrick sie hereinbat. Was blieb ihr auch anderes übrig? Mary Kate, die Auflaufform in beiden Händen, schob sich seitlich durch die Tür. Sobald die drei im Haus verschwunden waren, schlüpfte ich auf der gegenüberliegenden Seite aus dem Wagen und hastete zur Scheune, wo ich einen Torflügel so weit aufzog, dass ich hindurchpasste.
Drinnen stand ein kleiner Traktor. Es war kühl. Der Heuboden war eine gute Isolierung. Und das Licht, das oben durch seine geöffneten Türen fiel, reichte gerade aus, um alles einigermaßen zu erkennen. Da, wo Joe Rays Pick-up gestanden hatte, war ein leerer Platz. Es roch nach Heu und Maschinen und Erde, genau der Geruch, den man erwarten würde. Ich hatte befürchtet, etwas anderes vorzufinden. Ich hatte das Gefühl, dass sie gestern Nacht Leichen hergebracht hatten. Aber warum? Ich konnte es mir nicht erklären. Ich wusste nur aus den Abrechnungen von Zulieferfirmen und Energieversorgern, die Neil und ich uns beim Frühstück angesehen hatten, dass das Krematorium bei den geringen laufenden Kosten eigentlich gar nicht betriebsfähig sein konnte. Der Stromverbrauch war konstant niedrig. Belege für Wartungsarbeiten, wie sie bei so einem Betrieb normal wären, gab es so gut wie keine. Selbst die Kosten für Bürobedarf, Kopien, Porto und so weiter lagen deutlich unter dem, was man erwarten würde. Ich fragte mich, ob die Kühlung überhaupt funktionierte. Vielleicht waren die Leichen ja deshalb unsachgemäß gelagert worden. Ich wünschte, ich hätte länger im Krematorium bleiben können, und merkte dann, wie grotesk schon allein der Gedanke war. Eine weitere Frage nagte an mir: Wenn Joe Ray die Leichen nicht einäscherte, wo waren sie dann?
Mein Handy vibrierte. Eine SMS von Neil. War Joe Ray früher zurückgekommen?
Du lieber Gott, diese Frau trägt ein Hawaiikleid und Zehensocken.
Ich simste zurück. Dann lenkt dich ja nichts ab.
Ich sah einen Lichtschalter an der Tür und Steckdosen für Werkzeug, konnte aber nicht riskieren, Licht zu machen. An einem Haken hing ein Stück Zwirn, an dem ein kleiner goldener Schlüssel baumelte, die Sorte, die man von Vorhängeschlössern kennt. Ich erinnerte mich, an dem Verschlag neben dem Hühnerstall ein Vorhängeschloss gesehen zu haben. Ich nahm den Schlüssel und hängte ihn mir um den Hals.
Mein Handy meldete
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