Broken (German Edition)
karamellisiert im Backofen, geschmeidig geschlagener Kartoffelbrei mit einem kleinen Klecks Butter, der daran herunterlief. Wir beide bemühten uns seit einiger Zeit, wenn auch eher halbherzig, tiergerechter und bewusster zu essen, vorwiegend regionale Produkte aus Freilandhaltung, und überhaupt weniger Fleisch. Aber ehrlich gesagt, sind Neil und ich Paradebeispiele dafür, dass der Geist willig ist, aber, na, Sie wissen schon. Eine einzige knusprige Hähnchenkeule, und schon ist es um unsere guten Vorsätze geschehen. Ich breitete meine Serviette auf dem Schoß aus und wartete. Schließlich wollte ich nicht unhöflich sein.
«Bitte sehr, meine Liebe», sagte Mrs. Stargell zu mir. «Ich hoffe, das schmeckt Ihnen.»
Sie hatte lediglich eine Schale klebrigen Reis vor mich gestellt. Ich starrte die Schale an. Ich starrte Neil an. Ich starrte in Mary Kates trügerisch goldiges, kleines Gesicht, sah das kurze weiße Haar, das sich an ihren kleinen Kopf schmiegte, das übermäßig dicke Rouge auf ihren zarten Magermilchwangen. Aber ihre braunen Augen waren hart und böse und hielten meinem Blick mühelos stand. Sie lächelte. Ich stierte auf die Reihe falscher Zähne, die sie mit Sicherheit überleben würden.
«Stimmt was nicht, Frühlingsrolle? Ist das nicht euer Nationalgericht?»
Neil hätte fast eine Spargelstange durch die Nase ausgehustet.
«Mrs. Stargell, ich bin hier in Georgia aufgewachsen, genau wie Sie. Herrgott noch mal. Denken Sie eigentlich mit dem Arsch, oder was?»
Mary Kate schnappte sich eine Sauciere vom Tisch und hielt sie schräg über meine Schale. Gut eine halbe Tasse hellbrauner, gallertartiger Flüssigkeit wälzte sich langsam heraus und klatschte auf meinen Reis. Ich blickte auf die Pampe. «Ist das südstaatlich genug, Sie Schandmaul?»
Ich sprang empört auf.
«O nein», sagte Mrs. Stargell und fächelte sich mit einer geäderten Hand theatralisch Luft zu. «Sie will hungrig wieder gehen. Versteckt die Hauskatzen.»
Neils Hand knallte auf die Tischplatte und erschreckte uns beide zu Tode. Meine kleine Reisschale machte einen Hüpfer. Soße schwappte über. «Mrs. Stargell, lassen Sie Ihre Boshaftigkeiten stecken, und zwar sofort. Und mit Ihren Erpressungen kommen Sie auch nicht mehr durch. Sind Sie nett, sind Sie dabei. Sind Sie fies, sind Sie raus . Und Keye, Mrs. Stargell ist doppelt so alt wie du. Du schuldest ihr ein bisschen Respekt.»
«Sie ist mehr als doppelt so alt wie ich! Falls die Anmerkung erlaubt ist.»
« Bitte , ihr haltet jetzt beide den Mund und lasst mich mein köstliches Essen genießen, verdammt noch mal.»
Mrs. Stargell ließ sich auf einen Stuhl sinken. Ihre blasse Haut war gerötet und passte jetzt farblich zu dem übertriebenen Rouge auf ihren Wangenknochen. Sie war ganz hingerissen von seinem Ausbruch, wie mir klarwurde. Ich traute meinen Augen nicht. «Die Hauskatzen-Bemerkung tut mir leid, meine Liebe», sagte sie kleinlaut.
Ich setzte mich wieder an den Tisch, probierte den Reis und schauderte. Sie starrten mich beide an. «Was ist?» Ich hob die Serviette an den Mund. «Ach so. Mir tut’s auch leid.» Neils Augen verengten sich. «Okay, okay.» Ich sah Mary Kate an. «Tut mir leid, dass ich gefragt hab, ob Sie mit dem Gesäß denken.»
Mary Kate blickte Neil an, während er Essen auf eine Art in sich reinschaufelte, die mir peinlich war. Ich gab mich einem Tagtraum hin, in dem sie einen spitzen Hexenhut trug und sich mit einem meckernden Lachen über einen dampfenden Kessel voller Kinder beugte. Ein, zwei Minuten verstrichen.
Ich stand auf. «Ich muss nachsehen, was in der Scheune ist.»
«Hab ich mir schon gedacht bei der Manöverkluft, die Sie anhaben», bemerkte Mrs. Stargell. Ich trug eine khakigrüne Cargohose und Schnürstiefel – wie ich fand, die angemessene Kleidung für eine Ermittlung, bei der Hühner und Scheunen beteiligt waren. «Zu meiner Zeit haben Frauen sich nicht so angezogen.»
«Gab’s damals schon Hosen, oder habt ihr euch einfach ein Bisonfell über die Schultern geworfen?»
Ihre kleinen Augen wurden schmal. Sie zeigte mit einem knochigen Finger auf mich. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. «Der war gut, Frühlingsrolle.»
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20
W ir ließen das Geschirr auf dem Tisch stehen und gingen zur Hintertür hinaus. Ich legte mich lang auf die Rückbank des Cadillac. Es war heiß im Wagen. Ich ließ die hinteren Fenster herunter. Auf den Vordersitzen: Neil, Mary Kate und eine 22 mal 33 Zentimeter
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