Broken (German Edition)
sich wieder. Neil: J. R. ist zu einer Alarmanlagenfirma wegen des Einbruchs. Mrs. S. fragt sie nach den Randale-Kids von gestern Nacht aus .
Die clevere alte Schnüffelnase war ein Naturtalent. Sie verschaffte mir Zeit und untermauerte geschickt Joe Rays Theorie, dass der Einbruch auf das Konto von Jugendlichen ging.
Ich sah mich in der Scheune um. Über einer langen Arbeitsplatte hingen an einem gelochten Brett sauber und ordentlich Werkzeuge. Kein Vergleich zu dem schlampigen Büro im Krematorium oder den unausgefüllten Protokollen oder den nicht eingeäscherten Leichen. Urnen standen ordentlich aufgereiht. Urnen in der Scheune. Ich schaute in eine hinein. Leer. Drehte sie auf den Kopf und sah, dass unten drunter ein handbeschriftetes Etikett klebte, wie sie für Aktenordner benutzt werden. Darauf stand der Name Trite . Die nächste war mit Wagner beschriftet. Die daneben mit Milner . Dieselben Namen, die ich auf der Anlieferungsliste gesehen hatte. Auf der Werkbank lagen ölige Schrauben und Motorteile, davor stand ein Hocker. Eine zerlegte Kettensäge war noch nicht wieder ganz zusammengesetzt – die Kette war ab, der Vergaser ausgebaut. Ich sah mir die Kette an. Sie war mit irgendwas Dunkelbraunem besprenkelt. Ich zoomte sie mit meiner Handykamera heran und machte ein Foto, das ich mir dann ansah. Der grelle Blitz hatte etwas erhellt, das ich in dem dämmrigen Licht nicht hatte erkennen können – getrocknetes Blut und Gewebe. Oder etwas, das verblüffende Ähnlichkeit damit hatte. Ich nahm die aufgehängten Werkzeuge unter die Lupe. Die Zähne einer Metallsäge hatten ziegelrote Flecken.
Was war das hier für ein Schlachthaus? Ich sah keinerlei Spritzer an dem Werkzeugbrett, auch nicht auf der Arbeitsplatte. Kein Geruch. Was hatten sie zersägt und wo? Mein Gehirn suchte nach Erklärungen. Kirkpatrick war Jäger. Wenn er tötete, dann vermutlich draußen. Ich erinnerte mich an das Gewehr in seinen Händen. Das ergab Sinn. Mitten in der Nacht mit dem Pick-up an die Rampe des Anlieferungsraums zu fahren, ergab keinen. Was, wenn sie etwas geliefert hatten, statt etwas abzuholen? Daran hatte ich nicht gedacht. Aber was? Ich sah mich in der Scheune nach Zementmischung um. Kirkpatrick hatte Urnen aufgereiht. Vielleicht war das hier seine Abfüllstation. Das Licht war nicht hell genug, um Zementstaub zu entdecken.
Ein metallgrauer Aktenschrank mit vier Schubladen stand am Ende der Arbeitsplatte. Zugegeben, ich bin keine Expertin in Sachen Scheunen, aber ich glaubte nicht, dass ein Aktenschrank zur Standardausrüstung einer Farm gehörte. Ich fuhr mit dem Finger über die Oberseite und sah die Spur, die er im Staub hinterließ. Der Schrank war abgeschlossen. Ich fand ein Stemmeisen unter den blutbefleckten Werkzeugen und brach das Schloss auf. Die oberste Schublade öffnete sich geschmeidig – armeegrüne Hängeregister mit Aktenmappen und Plastikschildchen für jeden Buchstaben des Alphabets –, ein weiteres Beispiel für eine Ordnung, die im Krematorium nicht zu sehen war. Die Schublade war voll und ging bis zum Buchstaben H . Ich nahm die erste Mappe heraus – Abbey, Jeff . Darin: zwei 20 mal 30 Zentimeter große Seidenmattfotos, schwarz-weiß, kontraststark. Der Mann auf den Fotos war um die siebzig. Er saß auf einem Stuhl mit gerader Rückenlehne, die Füße flach auf dem Boden, die Unterarme auf ungepolsterten Walnussholzlehnen, schwarzer Anzug, weißer Hintergrund, die Augen auf die Kamera gerichtet. Es wirkte wie etwas, das man gerahmt in einem Antiquitätenladen finden würde. Der Mann hatte einen toten Blick. Ich sah genauer hin. Einen sehr toten Blick. Und er war bleich wie der Tod.
Ein Schauer durchfuhr mich. Ich wusste nicht, wohin das hier führte, aber ich hatte das Gefühl, dass ich soeben eines der Eckteile des Puzzles gefunden hatte. Ich machte zwei, drei Fotos und hängte Abbeys Akte wieder zurück, nahm die nächste heraus. Abbott, Alana . Wieder zwei seidenmatte Schwarz-Weiß-Fotos, derselbe Stuhl, dieselbe Pose, schwarzes Kleid, weiße Perlen, derselbe Hintergrund, derselbe altertümliche Look, erneut ein starrer Blick. Ich fotografierte auch die Alana-Abbott-Akte und zog die nächste heraus. Abbott, Carl . Derselbe Anzug wie der, den Jeff Abbey anhatte, derselbe Stuhl, alles gleich. Ich zog den Hocker vor der Werkbank rüber zum Aktenschrank, öffnete die zweite Schublade und suchte nach Milner, Faye, der Frau, deren Leiche in einem Pappsarg oben auf zwei andere gelegt worden war
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