Brook, Meljean - Die Eiserne See
Gerede, dass die Horde Tiere mit Menschen kreuzte. Er hatte es nie geglaubt und als die üble Nachrede verworfen, mit der die Leute von ihren Feinden sprachen. Und doch lag ein Quäntchen Wahrheit darin. Nicht, dass Frauen sich mit Affen gepaart hatten, aber irgendeine Vermischung war geschehen. »Passiert das über Naniten?«
»Ja. Im Stall des Khans haben die Erfinder die Essenz der Luchsin mit denen unserer Mütter kombiniert. Wie, weiß ich nicht. Und ich weiß auch nicht, wer meine Mutter war«, fügte Yasmeen hinzu. »Die Mütter werden von den Krippen ausgewählt, und wir bekommen sie nie zu sehen.«
»Und wenn die gan tsetseg Kinder kriegen? Werden die dann noch immer wie ihr?«
»Das weiß ich nicht. Ich werde nie welche kriegen – als Bart mich niedergestochen hat, war es mehr, als meine Naniten heilen konnten, obwohl sie so hart gearbeitet haben, dass ich beinahe am Fieber gestorben wäre. Eben hat auch versucht, meine Gebärmutter chirurgisch wiederherzustellen, aber … Es ist ihm nicht gelungen, obwohl er getan hat, was er konnte. Ich würde Bart jederzeit wieder töten, nur für diesen Verlust. Und die anderen können keine Kinder kriegen – sie sind untenherum völlig aus Metall. Aber es muss in den Häusern auch gan tsetseg geben, die nun, da der Stall zerstört ist, nicht weiter modifiziert werden, und die werden auch Kinder kriegen. Vielleicht erfahren wir es dann.«
Untenherum völlig aus Metall. »Können die anderen …?«
Sie grinste. »Du denkst in denselben Bahnen wie alle Männer. Natürlich können sie.«
»Aber sie müssen nicht auch auf diese Weise dienen, oder?«
»Nein. Wer eine gan tsetseg wie eine Hure behandelt, der tut das nur einmal. Buchstäblich. Selbst wenn sie ihn am Leben lässt.« Sie wandte den Kopf ab, sah wieder ins Feuer. »Stört es dich nicht, jetzt, wo du es weißt?«
»Was denn?«
Zu seiner Verblüffung legte sie ihr eines Ohr frei. Aber so anders waren ihre Ohren gar nicht: Die Muschel wie bei jedem anderen Menschen auch, nur dass sie nach oben hin leicht zulief und in einem kurzen Haarbüschel endete.
»Nein.« Er streckte die Hand aus und fuhr den gerundeten Rand entlang, und Yasmeen entzog sich ihm mit einem Lächeln.
»Nicht hier, Mr Fox.«
»Wieso nicht?« Er wusste, dass sie es genoss, wenn er sie streichelte, und er hatte schon einmal eine Katze an den Ohren gekrault und die Reaktion gesehen. Er senkte die Stimme. »Sind sie empfindlich? Wenn ich sie streichele, bringst du dich dann vor unseren Gastgebern in Verlegenheit?«
»Nein, Mr Fox.« Sie drehte sich zu ihm um und ging auf einen Ellbogen hoch, ihr Mund fast an dem seinen. »Es ist nur so, dass ich da sehr, sehr … kitzlig bin.«
Er kniff die Augen zu, unterdrückte ein Lachen.
Sie strich mit den Fingern seine Kinnlinie entlang. »Bleibst du als Erster wach, oder soll ich?«
»Ich.« Sie brauchten sich zwar keine Sorgen wegen Soldaten zu machen, aber Wache zu halten war nie verkehrt. »Fünf Stunden?«
»Ja.« Sanft presste sie ihre Lippen an seinen Hals. Er hörte ihr tiefes Einatmen, als würde sie seinen Geruch in sich aufnehmen. »Weißt du eigentlich, dass ich alle deine Geschichten gelesen habe?«
Das hatte er nicht gewusst. Aber nun ging er die Bücher in Gedanken hektisch durch und versuchte sich zu erinnern, was Zenobia darin hatte einfließen lassen, was auf Tatsachen beruhte – und bei was es ihm lieber gewesen wäre, wenn Yasmeen es nicht gewusst hätte. Vorsichtig fragte er: »Und? Was denkst du darüber?«
»Archimedes Fox hat ein paar ganz schöne Dummheiten gemacht.«
Oh ja! Einige davon beruhten ebenfalls auf Tatsachen. Gott! Er biss die Zähne zusammen und fragte: »Findest du?«
»Ja.« Wieder seufzte sie an seiner Kehle. »Und trotzdem konnte ich nie genug von ihm bekommen.«
Und während er noch nach einer passenden Antwort suchte, hüllte sie sich in die Decke und schloss die Augen.
Yasmeen brach nur ungern auf. Die bittere Kälte, die leere Festung und die beiden Tage, die sie gemeinsam mit Archimedes Fox darin herumgestreift war, waren in jeder Hinsicht vollkommen gewesen. Doch als sie sich von Nergüi und Terbish verabschiedet hatten und den Südostturm hinaufstiegen, machte er ein nachdenkliches, vielleicht sogar besorgtes Gesicht.
Oben angelangt, löschte er die Lampe, und sie warteten auf der Mauer. Frischer Schnee bedeckte die Flugmaschine im Hof, die nun selbst für Yasmeens Augen kaum zu sehen war. Terbish und Nergüi hatten ihrer Bitte
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