Brook, Meljean - Die Eiserne See
»Schaffen Sie sie nach unten!«
Damit war er weg, und über der Steuerbordseite konnte Yasmeen einen kurzen Blick auf die gigantische Maschine erhaschen, deren kegelförmiger Leib im Licht der Acetylenlampen, die die Mauern des Vorpostens ausleuchteten, ebenso hoch aufragte wie die Zitadelle.
»Sollen wir ihnen verraten, dass es dort drüben gar keine Soldaten gibt, die das Monstrum bemannen könnten?«, fragte Archimedes dicht an ihrem Ohr und wartete ihre Antwort nicht erst ab. »Nein, wohl eher nicht.«
Yasmeen, die noch immer ihren Zorn im Zaum halten musste, schüttelte den Kopf – und ging leise zur Leiter, während die Crew hektisch umherlief.
Sie werden Ihre Frau auf ihren Platz verweisen.
Dieser Satz hallte in Yasmeens Gedanken wider, bis sie ihren Zorn nicht länger unterdrücken konnte. Er galt nicht Archimedes – das wusste sie. Doch kaum waren sie in ihrer Kabine, da fuhr sie herum und fauchte: »Du hast mich festgehalten!«
Seine Augen waren plötzlich strahlende, harte Smaragde. »Und du hast es zugelassen! Ich hätte dich nicht zurückhalten können, wenn du es anders gewollt hättest – und dann hätte das Ganze erst geendet, wenn einer von euch beiden tot gewesen wäre.«
»Er natürlich!«
»Ich weiß.«
Sie biss die Zähne zusammen. Das reichte noch nicht. Sie schrie auf, fuhr zur Koje herum. Die obere Matratze ging unter ihren Klauen in Fetzen. Das reichte noch immer nicht. Sie wirbelte wieder zu Archimedes herum, der sie mit hochgezogenen Brauen ansah.
»Nun müssen wir beide in deiner Koje schlafen.«
Ja. Das würde reichen.
»Komm«, sagte sie schwer atmend. »Jetzt gleich. Kein Unsinn von wegen Küssen mehr. Ich will, dass du mich fickst.«
Bei dem Wort »Unsinn« verloren seine Augen ihren Ausdruck. »Nicht so, Yasmeen.«
»So will ich es aber. Wütend, hart, grob. Wenn du das nicht kannst, dann suche ich mir jemand anders. Auf einem Schiff voller Männer ist das kein Problem.«
Er schob den Unterkiefer vor. »Das wirst du nicht tun.«
»Wieso? Weil es dich verletzt? Hach, der weichherzige Archimedes Fox.« Sie verzog den Mund zu einem höhnischen Grinsen und setzte noch einen drauf. »Du sagst, du willst alles spüren. Willst du gern spüren, wie es ist, wenn du mir dabei zusiehst, wie ich es mit jemand anderem tue?«
»Dann los«, sagte er durch gebleckte Zähne. »Mach!«
Idiot. Bildete er sich ein, sie damit auf die Probe zu stellen? Sie wollte niemand anders, aber sie hatte es schon gemacht, ohne sich um den Mann zu scheren, mit dem sie vorher zusammen gewesen war. Glaubte er ernsthaft, sie konnte das nicht noch mal? Nur Körper, die fickten; spielte doch keine Rolle.
Und sie konnte dem Ganzen jetzt ein Ende setzen, ging ihr auf. Diesem ganzen Unsinn von wegen sich in sie verlieben und darauf warten, dass sein Verlangen groß genug wurde und dass sie ihm das Herz brach. Sie konnte das jetzt beenden, und ganz gleich, was Archimedes sonst noch war, ganz gleich, was für alberne Vorstellungen er darüber hatte, alles zu spüren, sie wusste, dass er diesen Weg nicht weitergehen würde , nachdem sie zu jemand anders gegangen war. Teufel, sie brauchte es noch nicht einmal mit jemandem zu tun, um das zu schaffen. Sie konnte gehen, warten und ihn glauben machen, dass sie es getan hatte. Sie würde ihm das Herz brechen, und dann war das hier vorbei. Danach würde er nicht mehr versuchen, ihre Liebe oder auch nur einen Kuss zu erringen.
Zwei Schritte trugen sie bis zur Kabinentür. Sie öffnete sie.
Und war so blöd zurückzuschauen.
Archimedes war nicht mehr zornig. Sein Gesicht hatte jede Farbe verloren, Erschütterung und Verletztheit spannten ihm die Haut, und seine Augen waren trübe, als würde er sie bereits mit einem anderen vor sich sehen. Schmerz fuhr ihr in die Brust. Sie hatte das getan. Hatte ihm das angetan, in voller Absicht, hatte auf die Bande eingehackt, die zwischen ihnen entstanden waren. Und sobald sie aus der Kabine trat, riss sie sie entzwei. Oder hatte es vielleicht schon getan.
Das war nicht, was sie wollte. Das war nicht, was sie brauchte . Körper, die fickten, waren egal … und Archimedes Fox nicht.
Yasmeen schloss die Tür. »Ich kann das nicht«, sagte sie. »Ich kann hier nicht weg.«
Sie lächelte, und ihm entfuhr ein Lachen, ein kurzes Bellen der Ungläubigkeit und Erleichterung. Sie ging zu ihm, legte ihre Arme um seine Taille. Seine Hände zitterten, als er die Finger in ihr Haar schob, aber sie zitterte ja auch. Sie sah sein
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