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Brook, Meljean - Die Eiserne See

Brook, Meljean - Die Eiserne See

Titel: Brook, Meljean - Die Eiserne See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flammendes Herz
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wollte, brauchte er nur zu fragen. Sie würde es ihm sagen.
    Allerdings nicht hier. Hier wollte sie, dass eine andere Geschichte erzählt wurde als die ihre. Sie musste sich ein umfassendes Bild von dem Mann machen, der vielleicht für den Tod ihrer Crew verantwortlich war. Und vor ihr saß jemand, der ihn gekannt hatte.
    »Ich kannte mehrere gan tsetseg , die so hießen«, sagte sie. »Aber viele kannte ich auch nicht. Ich bin in Konstantinopel aufgewachsen.«
    »Dann ist es unwahrscheinlich, dass Sie sie kennen. Nasrin stammte aus dem Pandschab, wurde aber vom Haus in Daidu aufgezogen.« Dann, vorsichtig: »Konstantinopel?«
    »Ja.« Sie hielt seinem Blick stand. »Ich bin geflohen, als Temür Agha die Stadt geschliffen hat.«
    Er gab einen tiefen, vibrierenden Seufzer von sich. »Sie müssen sehr jung gewesen sein. Darum sind Sie nicht modifiziert worden.«
    »Ja.« Mechanisches Fleisch und Waffen wurden ihnen erst angepasst, wenn sie voll ausgewachsen waren. Was sie noch nicht ganz gewesen war – aber eigentlich wollte sie sich über etwas anderes unterhalten, und auf dezentes Vorgehen legte sie keinen Wert. »Archimedes hat mir erzählt, dass ich mich irre, was Temür betrifft – dass nicht er es gewesen ist, der die Stadt niedergebrannt hat.«
    »Nein«, warf Archimedes prompt ein. »Er hat sie niedergebrannt. Ich sagte nur, dass er zu den Aufständischen gehörte.«
    »Er hat den Aufstand niedergeschlagen .«
    »Sie haben beide recht«, sagte Hassan. Seine Hand zitterte leicht, als er nach der Teekanne griff, aber Yasmeen konnte nicht sagen, ob es am Thema lag oder am Alter. Er goss sich noch nicht ein; anscheinend war ihm aufgefallen, dass ihr Weinglas leer war. »Möchten Sie auch welchen?«
    »Stammt er aus der Neuen Welt?«
    Ein Schmunzeln erhellte seine Miene. »Ja.«
    »Nein, danke! Nichts zu trinken ist besser als das.«
    »Da muss ich widersprechen; selbst dieser Tee ist besser als nichts.« Er nahm einen Schluck und verzog leicht das Gesicht. »Wenngleich es mir lieber wäre, ich hätte daran gedacht, einen eigenen Vorrat mitzubringen. Captain Guillouet hegt ein tiefes Misstrauen gegen Lebensmittel, die nicht aus den beiden Amerikas stammen. Er fürchtet eine Infektion.«
    Darum gab es also nichts Frisches. Jahrhunderte zuvor hatte die Horde ihre Naniten in dem Tee und dem Zucker versteckt, den sie nach Europa und Nordafrika lieferte. Als sie die Kontrollsignale aktiviert hatte, war ein Großteil der Bevölkerung infiziert gewesen und hatte sich nicht wehren können, was die Invasion so reibungslos über die Bühne hatte gehen lassen, wie man einen eingefetteten Finger in den Lauf einer ungeladenen Pistole steckte.
    Hassan stellte seine Tasse ab und fuhr fort. »Manche Leute im Reich könnten ihm diese Furcht nicht verdenken. Als die Nachricht von der Besetzung Englands und Afrikas Xanadu erreichte, machte das viele nervös – ebenso nervös wie hundert Jahre zuvor die Nachricht von den Zombies. Was, wenn diese Kreaturen die Mauern und die großen Ströme des Reiches überwanden? Was, wenn der Großkhan Türme bauen ließ, um nach den Barbaren auch sein eigenes Volk zu kontrollieren? Allerdings sprachen sich nur wenige gegen Arghun Khan aus, unter dessen Herrschaft die Besetzungen befohlen worden waren – aber damals begannen sich die Rebellen zusammenzufinden.«
    Das hatte Yasmeen nicht gewusst. Ihr hatte man beigebracht, dass Arghun Khan ebenso weise gewesen war wie Manduchai Chatun, ebenso großzügig wie Tokta Khan. Nun anderes zu erfahren, überraschte sie jedoch nicht – jeder Khan war mächtig genug, seine eigenen Geschichtsbücher schreiben zu lassen.
    Aber es bedeutete zugleich, dass es nur eine Möglichkeit gab, wie Hassan hatte anderes hören können. »Temür Agha hat Ihnen das erzählt?«
    »Ja. Vielleicht ist es wahr, vielleicht auch nicht. Vielleicht ist es nur das, was er von anderen Rebellen gehört hat. Aber dennoch ist es wichtig, zu wissen, dass es noch einen anderen Aufstand gegeben hat, dessen Wurzeln jedoch tiefer liegen und der auf den Thron des Großkhans abgezielt hat.«
    Das kannte Yasmeen schon – niemanden schmähten die Geschichtsschreiber lieber als die Nachfahren von Ögedei, dem jüngsten Sohn von Dschingis Khan. Als der große General Batu, der Sohn des ältesten Sohns von Dschingis Khan, zum Thronfolger seines Großvaters ernannt worden war, hatten Ögedeis Unterstützer Batus Ehelichkeit infrage gestellt und alle daran erinnert, dass Dschingis Khans Frau vor

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