Brother Sister - Hoert uns einfach zu
Esstisch im Wohnzimmer leer geräumt und abgewischt – zum ersten Mal, seit ich denken kann. Er hatte die gebrauchten Plastikbecher von der Party weggeschmissen und die klebrigen Getränkeränder abgeschrubbt, CD - und Spielehüllen, Spielanleitungen, Einkaufstüten und so weiter auf die Beistelltischchen unter der Treppe verteilt. Er hatte den Tisch gedeckt und sogar unser gutes Geschirr und das schwere Silberbesteck aus dem Schrank geholt. Die Teller standen auf dunkelroten Setdeckchen mit goldenen Fransen. Die benutzten wir sonst fast nie, weil sie nur für besondere Anlässe waren, und besondere Anlässe wurden bei uns meist vergessen, sobald Mom zwei bis zehn Drinks intus hatte. Und Kerzen! Er hatte die gusseisernen Kandelaber mit den Blätterranken auf den Tisch gestellt.
Es war, als wollte er mich bestechen. Mich zwingen, glücklich zu sein. Als hätte er Angst, dass ich mich gegen ihn stellen könnte. Trotzdem war es irgendwie süß. Er ließ sich wirklich was einfallen, um seine Streicheleinheiten zu verdienen, aber ich war zu fertig, um es richtig zu würdigen.
Als Vorspeise gab es Schafskäse, Oliven und Baguette. Es war mein Lieblingskäse, San Andreas, der ist butterweich. Aber ich hatte keinen Appetit. Schon seit Tagen konnte ich nicht mehr richtig essen.
Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, und tat so, als ob ich mich freute, aber ich konnte von allem nur einen Bissen nehmen.
Dann gab es Salat aus Keiths Bioanbau.
Und edlen Chardonnay aus dem Nappa Valley. Den brachte Will noch vor dem Hauptgang an den Tisch und machte ein großes Buhei ums Einschenken. Er mimte einen richtigen Kellner mit Serviette überm Arm und drehte die Flasche nach dem Einschenken, damit es nicht tropfte, das ganze Programm … Dann erhob er feierlich sein Glas, um einen Toast auszubringen.
Er benahm sich wirklich wie ein Irrer, und ich merkte, dass er noch nervöser war als die Tage davor.
»Auf uns!«, sagte er ganz euphorisch. »Wunderkinder an die Macht!«
Wir stießen mit den Gläsern an. Ich versuchte zu lächeln. In Wirklichkeit konnte ich den Spruch nicht mehr hören. Um die Wahrheit zu sagen, sah ich in uns keine Wunderkinder mehr. Ich sah mich kaum noch als Wills Schwester. Eher als eine geduldete Cousine, die ihr Leben unter der Treppe fristet – wie Harry Potter, bloß ohne die Zauberkräfte und die Vorfreude auf das nächste Schuljahr in Hogwarts.
Dann sagte er: »Nach dem, was in den Medien so berichtet wird, sieht es ziemlich gut für uns aus. Wir brauchen uns keine Sorgen mehr zu machen. Es ist schon fast ne Woche her, dass sie Naomi gefunden haben, und sie sprechen immer noch von Selbstmord. Und Craig? Der muss inzwischen Haifutter sein. Sie haben nichts gegen uns in der Hand. Nada. Niente. Stimmt’s?«
Ich nickte und sagte: »Stimmt.« Aber ich konnte ihn dabei nicht ansehen.
»Sieh mich an!«, sagte er. »Wir haben nichts zu befürchten. Alles wird gut. Du und ich und alles um uns rum ist in Ordnung. Wir haben’s geschafft. Wenn es irgendeinen Verdacht gegen uns gäbe, hätte man uns längst verhört. Also sind wir aus dem Schneider.« Er hüpfte hin und her, grinste und hatte diesen irren Blick.
Dann nahm er mich bei den Händen und fing an, mit mir zu tanzen. Zu tanzen! Dazu sang er dieses alberne »I Got You Babe«.
Meine Freundin war tot. Mein Freund . Tot. Beide tot. Und er wollte tanzen und Karaoke singen! Am liebsten hätte ich ihm meinen Wein ins Gesicht geschüttet.
Tut mir leid. Ist schon wieder passiert. Ich wollte nicht weinen.
Okay. Der Hauptgang war ein Risotto. Er hatte mal auf einem Kochsender gesehen, wie man das macht. Mit Parmesan, Spargel und irgend so ner italienischen Wurst. Bah! Ich weiß nicht, wie Mario Batalli das gekocht hat, aber bestimmt anders als Will. Das Zeug war so versalzen, dass es selbst einem Reh zu viel gewesen wäre, wenn es daran geleckt hätte. Angebrannt war es auch. Es war einfach scheußlich. Es kostete mich jede Menge Überwindung, wenigstens zwei Bissen davon runterzuwürgen.
»Schmeckt’s?«, fragte Will.
»Und wie!« Was sollte ich sonst sagen?
Er stopfte sich die Pampe rein, als hätte er nie was Besseres gegessen. Dabei redete er die ganze Zeit, kippte den Wein runter und spann rum, was wir jetzt alles unternehmen könnten, da wir ja nun frei wären und uns ganz auf uns konzentrieren könnten. Der ganze Sommer läge noch vor uns, und wir könnten tun und lassen, was wir wollten.
Am liebsten wollte er mit mir verreisen,
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