Brother Sister - Hoert uns einfach zu
Wahrheit, doch ich zwang mich, sie auszuspucken. »Sie hat ihn geliebt . Wenn sie hört, dass er sich umgebracht hat, zerbricht sie. Verstehst du, was ich meine?«
Lewis sagte nichts. Er starrte mich nur an – beziehungsweise das Nagetier in meiner Brust.
»Mann«, sagte er schließlich. »Dann habt ihr wohl ein Problem.«
Als ob ich das nicht selbst wusste.
Wir spielten die Runde zu Ende, ohne noch ein einziges Wort miteinander zu reden. Was gab es auch noch zu sagen? Er verdächtigte mich und er wusste, dass ich es wusste. Die Frage war nur, wem er das erzählen würde und was ich dagegen unternehmen konnte.
Außer ich bildete mir alles nur ein.
Paranoia. Paranoia ist ein Killer.
Asheley
Ich bin innerlich zerbrochen. Ich wusste, dass ich früher oder später mit der Wahrheit rausplatzen würde. Ich wusste nicht, wem ich es sagen würde, und auch nicht, wann, aber irgendwann würde alles aus mir raussprudeln. Die Schuldgefühle waren einfach zu groß. Außerdem konnte ich nicht trauern, solange ich alles für mich behalten musste.
Zu allem Überfluss würde ich aber auch noch eine andere Schuld auf mich laden, wenn ich tatsächlich mit der Wahrheit rausrückte. Was sollte dann aus Will werden? Was würden sie mit ihm anstellen? Würde er sich was antun? Oder mir?
Egal, wie ich mich entscheiden würde – alles war falsch, und ich würde als ein schlechter Mensch dastehen.
Will
Bis Ende der Woche hatten sich die Gerüchte überall verbreitet, in Chatrooms, auf Facebook und Twitter. Und obwohl ich diesen ganzen Mist nicht benutze, merkte ich, wie sich der Druck erhöhte. Es gab verschiedene Versionen, aber der Grundtenor war, dass Craig und Naomi seit Wochen Depressionen gehabt und dann einen Abgang gemacht hatten. Nicht schlecht. Wenn die Leute das glauben wollten, sollte mir das recht sein.
Aber Asheley machte es schwer zu schaffen.
Echte Neuigkeiten gab es nicht, also von der Polizei oder so. Nur Gerede unter den Jugendlichen. Was die Polizei angeblich entdeckt hätte und in welche Richtung sie ermittelte. In der Presse wurden die beiden Fälle nicht miteinander in Verbindung gebracht. An dem Tag, als Naomis Leiche angespült wurde, gab es einen größeren Bericht. Dann drei Tage später einen darüber, dass Craig als vermisst galt. Sein Vater war nämlich plötzlich wieder aufgetaucht, um in dem Loch, wo seine Familie hauste, nach dem Rechten zu sehen.
Vielleicht wissen Sie das gar nicht: Craigs Mutter ist gestorben, als er sechs war, deswegen wurde er von seinem Vater aufgezogen – falls man das so nennen kann. Er ist Surfer, meistens bekifft und wohnt fast die ganze Zeit bei ständig wechselnden Freundinnen. Manchmal kam er vorbei, wenn er frische Klamotten brauchte, und er brachte Craig alle fünf, sechs Wochen ein bisschen Geld, aber im Prinzip war Craig sich selbst überlassen. Als sein Vater den Artikel über Naomi in der Zeitung las, muss ihm wohl plötzlich eingefallen sein, dass er ja selbst auch ein Kind hatte, und er machte sich auf die Suche nach Craig. Er schaffte es sogar, in die Abendnachrichten zu kommen. Er hielt ein verzweifeltes Gesicht in die Kamera und heulte rum, sein geliebter Sohn wär verschwunden.
Aber das war’s auch schon. Es wurde zwar viel spekuliert und lamentiert, aber handfeste Neuigkeiten gab es nicht. Nichts, was mir verriet, welche Informationen zurückgehalten wurden und wie nahe sie der Wahrheit womöglich schon waren. Vielleicht saß ich längst in der Falle. Vielleicht wartete alle Welt nur darauf, dass ich eine falsche Bewegung machte und die Falle zuschnappte. Es war total frustrierend. Und lähmend. Ich dachte die ganze Zeit darüber nach, wie ich meine Unschuld beweisen sollte, aber ich konnte nichts tun. Ich durfte nicht die Initiative ergreifen, denn dadurch hätte ich mich verdächtig gemacht. Verstehen Sie? Genauso gut hätte ich aufs Schuldach klettern, mit den Armen wedeln und in die Gegend brüllen können: »Ich war’s nicht, ich war’s nicht! Ich bin unschuldig!« Dann hätte jeder gleich gewusst, dass ich es war.
Bitte versuchen Sie, sich meine Situation vorzustellen! Wie aufgewühlt ich war. Äußerlich hab ich vielleicht noch einigermaßen normal gewirkt, aber in mir drinnen sah es anders aus.
Das Einzige, was mich noch aufrecht hielt, war der Gedanke, dass ich Asheley helfen musste. Ihretwegen musste ich stark bleiben.
Asheley
Als ich am Samstag von der Arbeit kam, kochte Will mir wieder was zu essen.
Dieses Mal hatte er den
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