Brown, Dale - Patrick McLanahan - 09 - Mann gegen Mann
fort. »Wir haben gerade einen wichtigen Job übernommen – nicht mehr, nicht weniger. Da gibt’s nichts zu feiern. Ich lasse zu, dass mein Familienleben leidet, lege meine privaten Träume und Hoffnungen vorerst auf Eis und setze mich öffentlicher Kritik, Zweifeln und Gefahren aus – alles nur, um dem Volk zu dienen. Zu feiern gibt es meiner Ansicht nach nur die friedliche Machtübergabe in der großartigsten Demokratie der Welt. Feiern sollten eigentlich die Wähler, die von ihrem Recht Gebrauch gemacht haben, ihre Regierungsform und ihre Staatsführung selbst zu bestimmen. Was mich betrifft, werde ich sofort die Arbeit aufnehmen.«
Dem konnte der Gerichtspräsident nicht widersprechen. Er streckte Thorn seine Hand hin, die der Präsident herzlich drückte. Thorn und Busick schüttelten noch ein paar Hände, dann führten sie ihre Familien unter dem Beifall der Menge, die »Thorn, Busick! Thorn, Busick!« skandierte, aufs Gelände des Weißen Hauses.
Prizren, Kosovo,
Föderative Republik Jugoslawien
Zur gleichen Zeit
» Usratta moschno! Dieser feige Hund hatte nicht einmal den Mut, sich öffentlich vereidigen zu lassen!« Hauptmann Ljubisa Susic, Polizeichef der Bundespolizei in Prizren, Kosovo, hockte schadenfroh grinsend vor dem Fernseher. Er war stolz auf seine ausgezeichneten Russischkenntnisse, vor allem was unanständige Ausdrücke betraf. »Zu einer Zeit, in der er im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht, verkriecht er sich im Weißen Haus und knutscht mit seinem Vizepräsidenten, on igrajet dunkoj kulakowoj! «
Susic saß in seinem Dienstzimmer, war heute länger dageblieben, um die Satellitenübertragung zu verfolgen, was nur im Hauptquartier möglich war. Hier im Büro hatte er seine Ruhe, das Fernsehbild war stabil und relativ scharf, er hatte Maraschino – starken, teuren serbischen Kirschlikör –, und er hatte seine Pistole, die er im Dienst tragen musste, aber außerhalb des Stützpunkts nicht tragen durfte. Das war ein weiteres Beispiel für die idiotischen Bestimmungen, an die er sich halten musste, weil die NATO den Kosovo besetzt hatte: Solange er hier von hundert schwer bewaffneten Wachposten umgeben war, durfte er eine Waffe tragen, aber wenn er das Hauptquartier allein verließ, musste er unbewaffnet sein, um die Zivilbevölkerung – von der viele ihm nur allzu gern eine Kugel in den Kopf geschossen oder ein Messer in den Rücken gestoßen hätten – nicht zu beunruhigen oder zu ängstigen.
In Prizren, im Süden der südlichen jugoslawischen Provinz Kosovo, lag das Hauptquartier der KFOR MNB (S) – Kosovo Force, Multi-National Brigade (South) –, der mit Genehmigung der Vereinten Nationen von der NATO entsandten Friedenstruppe mit 50 000 Soldaten aus 28 Staaten in aller Welt, darunter die USA, Großbritannien, Deutschland und Russland. Die KFOR hatte den Auftrag, im Kosovo zu patrouillieren und zu versuchen, weitere ethnische Konfrontationen zu verhindern, während die Staatengemeinschaft versuchte, die mit dem Auseinanderfallen der Föderativen Republik Jugoslawien verbundenen Probleme zu lösen.
Und an Problemen herrschte kein Mangel. Es gab eine von den Vereinten Nationen anerkannte und sogar finanzierte provisorische Regierung der Republik Kosovo, die schon in weniger als vier Jahren die Verantwortung für die halbautonome Republik übernehmen sollte. Die nun nicht mehr illegale Kosovo-Befreiungsarmee war aktiver als je zuvor und bestand jetzt aus schätzungsweise über 50 000 Mann – mehr als UN, NATO und Russen zusammen. Die KBA hätte schon vor Jahren entwaffnet werden sollen, aber dazu war es nie gekommen – stattdessen verfügte sie jetzt angeblich über schwere Waffen wie Panzerabwehrraketen und von der Schulter abzufeuernde Fla-Lenkwaffen, die der Iran, Saudi-Arabien und weitere islamische Staaten geliefert hatten.
Die KBA bezeichnete sich als Herzstück der Selbstverteidigungskräfte der bald unabhängig werdenden Republik Kosovo. Das entsprach jedoch nicht der Realität. Die KBA bestand hauptsächlich aus muslimischen Albanern und behandelte keineswegs alle Einwohner gleich. Sie hasste die Serben und orthodoxen Christen, aber sie diskriminierte auch Ausländer und die Angehörigen ethnischer Minderheiten im Kosovo – Zigeuner, Rumänen, Italiener, Juden und Griechen. Ihre Soldaten hatten ohne Genehmigung der NATO oder UN angefangen, Uniformen und Waffen zu tragen und sich als die einzig authentische einheimische Polizei zu bezeichnen.
Unterdessen war der Kosovo
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