Brown, Dale - Patrick McLanahan - 09 - Mann gegen Mann
noch immer ein Teil Serbiens, der weiterhin serbischen und jugoslawischen Gesetzen unterstand. Susic war die undankbare Aufgabe zugefallen, diesen Gesetzen in einer Region, in der Gesetzlosigkeit vorherrschte, Geltung zu verschaffen. Der Flughafen Prizren wurde von der Föderativen Republik Jugoslawien weiter als internationaler Verkehrsflughafen betrieben und musste in Übereinstimmung mit jugoslawischen Gesetzen und ICAO-Vorschriften bewacht und betrieben werden. Seine Radaranlagen, Stromgeneratoren, Fernmeldeverbindungen, Satellitenantennen, Lagerhäuser und Tanklager spielten eine wichtige Rolle für Jugoslawiens Souveränität und seine Wirtschaft. Weder NATO noch UN hatten sich erboten, Jugoslawien diese Aufgaben abzunehmen, aber die KBA machte sie nahezu unmöglich.
Bei der Friedenssicherungsmission der NATO im Kosovo herrschten chaotische Zustände. Die NATO-Mitglieder Italien und Deutschland, die noch Truppen auf dem Land stationiert hatten, stritten ständig über ihren Auftrag: Italien, dessen östliche Stützpunkte überfüllt und den Kampfgebieten näher waren, wollte seine Militärpräsenz unauffälliger gestalten; Deutschland, das den Verlust seiner Vormachtstellung in Europa fürchtete, plädierte für eine weit aktivere Rolle bis hin zur Stationierung von Truppen in Serbien. Griechenland und die Türkei, beide NATO-Mitglieder, aber alte Rivalen im Mittelmeerraum, spielten bei der Friedenssicherung praktisch keine Rolle, was nach allgemeiner Auffassung die beste Lösung war. Russland wollte Flagge zeigen und in Osteuropa verlorenes Terrain zurückgewinnen, indem es seine slawischen Vettern unterstützte und so die von Deutschland ausgehende Gefahr neutralisierte.
Und dann gab es die Vereinigten Staaten von Amerika, hinter deren Engagement das größte Fragezeichen stand. Was würde der neue Präsident tun? Er war solch ein Rätsel, dass nur wenige Analysten im In- oder Ausland eine Prognose wagten. Die USA hatten im Kosovo und den angrenzenden Gebieten doppelt so viele Soldaten stationiert wie alle anderen Staaten zusammen, sodass sie Deutschland und Russland militärisch weit überlegen waren. Dadurch war ihnen jedoch die Rolle eines Babysitters oder Schiedsrichters zugefallen. Die Amerikaner schienen sich weniger darauf zu konzentrieren, im Kosovo für Frieden zu sorgen, als Streitigkeiten zwischen ihren europäischen Verbündeten zu schlichten.
»Dieser neue Präsident ist entweder ein Spinner oder ein Feigling«, fügte Susic hinzu. Die CNN-Kameras zeigten zehntausende von Menschen, die vor dem Washingtoner Kapitol herumstanden, als wüssten sie nicht, was sie tun sollten. »Sehen Sie sich diese Leute an, wie ratlos sie sind, weil ihr New-Age-Präsident, dieser wiedergeborene Hippie, sich in der Sicherheit des Weißen Hauses versteckt.« Andere Fernsehkameras zeigten, wie Berater des Präsidenten – noch keine Minister, weil der Senat sie erst bestätigen musste – zu einer Besprechung mit dem Präsidenten ins Weiße Haus kamen. »Wie peinlich! Finden Sie nicht auch, Oberst?«
»Unterschätzen Sie diesen Mann nicht, Hauptmann«, sagte Oberst Gregor Kasakow und leerte sein Glas Maraschino, das Susic sofort wieder füllte. »Er besitzt die Stärke seiner Überzeugungen – nicht bloß politischen Instinkt wie die anderen. Hüten Sie sich davor, Zurückhaltung mit Schwäche zu verwechseln.«
Susic nickte nachdenklich. Wenn Kasakow das sagte … Kasakow war ein vorbildlicher Soldat, ein ungewöhnlich tapferer und einfallsreicher Krieger. Gregor Kasakow war der Kommandeur der 4000 Mann starken Friedenstruppe der Russischen Föderation, die im russischen Sektor dieser explosiven serbischen Provinz Ordnung zu halten versuchte.
In Susics Augen war er ein Held, weil er etwas bei russischen Offizieren verhältnismäßig Ungewöhnliches und Seltenes bewiesen hatte – Eigeninitiative. Aufgrund eines Geheimbefehls aus Moskau war Gregor Kasakow, damals erst Major, im Juni 1999 mit Teilen seines berühmten 331. Luftlandebataillons in zwei Transportern vom Typ An12 nachts im Tiefflug durchs gefährliche bosnische Bergland geflogen und hatte dann über dem Flughafen Priština 120 russische Kommandosoldaten, zwei Mannschaftstransportwagen, leichte Fla-Lenkwaffen sowie Munition und Verpflegung für ein paar Tage an Fallschirmen abgesetzt, wodurch er den überraschten NATO-Truppen die wichtigste Position im Kosovo vor der Nase weggeschnappt hatte. Die russischen Fallschirmjäger hatten den Flughafen mühelos
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