Brown, Dale - Phantomjäger
einer der einseitigsten Kriege der Weltgeschichte. Der Tod unserer Soldaten war tragisch, aber meiner Überzeugung nach konnten die Vereinigten Staaten sich dieser Aufgabe nicht entziehen. Unsere Männer sind nicht vergebens gestorben.
Das alles möchte ich Ihnen heute in Erinnerung rufen, um auf eine Besorgnis erregende Tatsache aufmerksam zu machen: dass die Vereinigten Staaten gegenwärtig nicht die Fähigkeit besitzen, einen ähnlichen Kampf für die Freiheit zu führen«, fuhr Martindale fort. »Im Golfkrieg haben die Vereinigten Staaten in sechs Monaten zweihundertfünfzigtausend Soldaten, Seeleute, Marineinfanteristen und Flieger aufgeboten. Heute würden wir Jahre brauchen, um eine ähnlich große Streitmacht zu mobilisieren und auf einem anderen Kontinent in den Kampf zu schicken. Wir haben keine Bodentruppen im Ausland stationiert – keinen einzigen Mann. Wir haben insgesamt fünfzigtausend Marineinfanteristen auf Schiffen, die Trägerkampfgruppen auf allen Weltmeeren begleiten. Das sind unsere einzigen Bodentruppen, die in Notfällen eingesetzt werden können.
Dazu kommt, dass die Zahl der einsatzbereiten Trägerkampfgruppen sich um zwei verringert hat, was im Prinzip bedeutet, dass auf jeweils einem Fünftel der Weltmeere keine US-Seestreitkräfte patrouillieren.
Darüber hinaus war es dem einundvierzigsten Präsidenten gelungen, für den Krieg gegen Saddam Hussein weitere zweihundertfünfzigtausend Soldaten – darunter Einheiten aus sechs arabischen Staaten und siebzehn weiteren islamischen Nationen – zu organisieren, zu mobilisieren und einzusetzen«, stellte Martindale fest. »Dagegen hat es die jetzige Regierung geschafft, Dutzende von Verträgen zu ignorieren, zu kündigen, zu brechen oder aufzuheben; sie hat sich den meisten unserer Verbündeten entfremdet, bei den blockfreien Staaten Misstrauen gesät und unsere Feinde noch mehr gegen uns aufgebracht.
Thomas Thorn ist weiter dabei, die Größe der Streitkräfte der Vereinigten Staaten, vor allem unserer Army, in geradezu erschreckendem Ausmaß zu reduzieren«, sagte Martindale mit zornig erhobener Stimme. »Die Army ist nur noch halb so groß wie vor zwei Jahren, und sie schrumpft weiter. Die Reserven und die Nationalgarde sind verstärkt worden, aber insgesamt sind unsere Streitkräfte heute trotzdem ein Drittel kleiner. Wir haben zahlreiche Beistands- und Kooperationsverträge mit Dutzenden von Staaten aufgekündigt – vor allem unsere Zusammenarbeit mit der NATO, die meiner Überzeugung nach fast ein halbes Jahrhundert lang den Weltfrieden gesichert hat. Thomas Thorns politischer Kurzsichtigkeit ist es zu verdanken, dass die Vereinigten Staaten heute eine Insel ohne Freunde, ohne Zukunft sind, die im Meer der Weltpolitik isoliert in Vergessenheit zu geraten drohen. Wir gestalten das weltweite Geschehen nicht mehr mit, sondern ignorieren bewusst alle Krisen, alle Tragödien und jegliche Verantwortung – und das alles im Namen einer neuen Politik unrealistischer Bündnislosigkeit. Es wird höchste Zeit, diese splendid isolation zu beenden.
Nun zu meiner Ankündigung: Ich gebe hiermit die Bildung eines Komitees bekannt, das meine Aufstellung als Präsidentschaftskandidat der Republikanischen Partei betreiben soll.«
Selbst bei den hier versammelten Washingtoner Journalisten, die seit Wochen gerüchteweise von einer bevorstehenden Mitteilung dieser Art gehört hatten, rief Martindales Ankündigung erstauntes Murmeln hervor. Ein Mitarbeiter des ehemaligen Präsidenten trat an ihn heran und flüsterte ihm zu, mehrere Fernsehgesellschaften wollten seine Pressekonferenz ab sofort live übertragen. Martindale wandte sich kurz von seinen Zuhörern ab, als wolle er seinen Trenchcoat zurechtrücken, aber das war eigentlich überflüssig, denn alle Anwesenden wussten ohnehin, was passieren würde. Keine zehn Sekunden später signalisierten die Fernsehleute, sie seien bereit.
»Ich bin mir darüber im Klaren: Dass ein abgewählter ehemaliger Präsident sich nochmals mit Erfolg um dieses Amt bewirbt, ist nicht mehr geschehen, seit Grover Cleveland das in den achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts geschafft hat«, fuhr Martindale fort, nachdem er seine Ankündigung wiederholt hatte. »Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wird von ehemaligen US-Präsidenten erwartet, dass sie sich würdevoll zurückziehen, nicht mehr politisch aktiv sind, auf Vortragsreisen gehen, bei denen sie für jeden Auftritt eine Million Dollar kassieren, eine
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