Brown, Dale - Phantomjäger
marschieren wir?« Turabi machte eine Pause, dann fügte er lächelnd hinzu: »Oberst?«
»Oberst klingt gut... Major«, antwortete Zarazi ebenfalls lächelnd. »Nach Norden, in Richtung Kerki.«
»Wir bleiben in Turkmenistan? Warum marschieren wir nicht nach Osten, in Richtung Heimat?«
»Weil die Nordallianz, die UN-Truppen und die Amerikaner uns unerbittlich verfolgen werden, bis wir vernichtet sind«, sagte Zarazi. »In der turkmenischen Garnison in Kerki gibt’s mehr Waffen, Munition und Verpflegung zu erbeuten, und dort sind wir vor unseren Verfolgern sicher.«
»Aber was ist mit der turkmenischen Armee? Die wird uns noch unerbittlicher verfolgen als die Amerikaner.«
»Ist der Zustand dieses Grenzpostens typisch für den der turkmenischen Armee, macht mir das keine Sorgen«, stellte Zarazi fest. »Die hiesige Regierung ist schwach und korrupt. Zu erbeuten, was wir brauchen, sollte nicht allzu schwierig sein. Selbst wenn wir diesen Grenzposten hätten angreifen müssen, wären wir mühelos Sieger geblieben.«
Zarazi starrte nach Norden ins nächtliche Dunkel und versank in langes Schweigen. Turabi hatte den Eindruck, sein Freund und Vorgesetzter sei in eine Art Trance verfallen. Als er eben fragen wollte, ob ihm irgendetwas fehle, sprach Zarazi weiter. »Und ich bin von Allah dazu auserwählt worden, sein Werkzeug der Rache gegen die Ungläubigen zu sein«, sagte er. »Allah hat mich vor den amerikanischen Roboterflugzeugen gerettet. Er will etwas von mir, Jala. Das weiß ich. Etwas Großes. Etwas sehr Wichtiges. Ich werde nicht zu kämpfen aufhören, bis ich es erreicht habe.«
1
Nationalfriedhof Arlington
Am nächsten Morgen
»Ich muss mich bei Ihnen dafür entschuldigen, dass ich diese Pressekonferenz bei solchem Wetter unter freiem Himmel gebe«, begann der amerikanische Expräsident Kevin Martindale. Während er das sagte, schien der frühmorgendliche Regenguss sich zu verstärken. »Aus Respekt vor diesem Ort habe ich bewusst darauf verzichtet, Zelte oder Regendächer errichten zu lassen und die zirkusartige Atmosphäre, die hier bereits entstanden ist, noch mehr zu steigern. Deshalb stehe ich auch nicht auf dem Friedhof selbst, sondern hier auf dem Besucherparkplatz, und habe Anweisung gegeben, dass keine Kameras auf den Friedhof gerichtet werden. Aber ich bin aus einem bestimmten Grund nach Arlington gekommen.«
Trotz des Regenwetters wirkte Kevin Martindale, der auf dem Trittbrett seines gepanzerten Suburbans stand, gepflegt und elegant wie in einem Fernsehstudio. Der hoch gewachsene, blendend aussehende Mittfünfziger Martindale, der zweimal Vizepräsident und einmal US-Präsident gewesen war, sah noch immer Zoll für Zoll wie ein Politprofi und Oberbefehlshaber aus. Er hielt sich körperlich in Form; er kleidete sich noch immer elegant; er hatte sich für diesen Auftritt Bart und Haare schneiden lassen. Auch der berühmte »Fotografentraum« war noch da, sogar im Regen: zwei silberne Locken die automatisch seine Stimmung widerspiegelten. War Martindale zornig, schlängelten sie sich wie jetzt bedrohlich über seine Stirn; war er in gelöster Stimmung, lagen sie in elegantem Bogen auf seiner grau melierten Mähne.
»Ich habe Sie heute hierher gebeten, weil ich etwas anmerken und etwas anderes ankündigen möchte«, sagte Martindale. »Zufällig entspricht das Wetter meiner Stimmung ziemlich gut.
Heute begehen wir einen tristen Jahrestag: Heute vor zwölf Jahren sind die letzten Männer des Unternehmens Wüstensturm gefallen. Zwei Wochen nach der Zerschlagung der irakischen Streitkräfte und der Ausrufung eines Waffenstillstands stürzte ein Blackhawk-Hubschrauber der U.S. Army bei schlechtem Wetter über Kuwait ab, wobei sechs tapfere Soldaten den Tod fanden. Einige dieser Helden sind hier auf dem Nationalfriedhof Arlington im Sektor H beigesetzt. Dass sie überhaupt sterben mussten, ist eine Tragödie, aber dass dieser Verlust nach einem so großen Sieg über die irakischen Streitkräfte eintrat, macht ihn umso betrüblicher.
Trotzdem war dies ein großer Sieg für die Freiheit. Der Auftrag, Kuwait aus Saddam Husseins Klauen zu retten, wurde in nur sechs Wochen ausgeführt; der Irak kapitulierte nur hundert Stunden nach Beginn des Landkriegs, nachdem er durch vierzigtägige ununterbrochene Luftangriffe zermürbt worden war. Die Verbündeten verloren nur fünfhundert tapfere Soldaten, während es auf der anderen Seite fast hunderttausend irakische Gefallene gab. Dies war eindeutig
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