Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)
Videoclips produziert, die regelmäßig auf MTV liefen. Auch im Ausland verkaufte sich Bruce’ neues Album millionenfach. Doch von diesen Fakten ließen sich diejenigen, die behaupteten, dass der Stern des größten amerikanischen Rockstars der 80er-Jahre allmählich im Sinken begriffen war, nicht beeindrucken. Bruce ließ die Sterndeuterei der Medien kalt. Ihm gingen ganz andere Dinge durch den Kopf.
»Ich hatte mich immer schon gefragt, wie man mit dieser Musik Themen, die Erwachsene betreffen, aufgreifen kann, ohne dass sie ihre Vitalität, ihre Freude, ihre jugendliche Frische verliert. Das fing schon 77 mit Darkness an. Zehn Jahre später äußerte sich das in anderer Form. Ich dachte: ›Okay, wir altern gemeinsam, mein Publikum und ich.‹ Diesen Gedanken nahm ich sehr ernst. Mein Nutzwert als Achtunddreißigjähriger war demzufolge ein anderer als der, den ich mit siebenundzwanzig hatte. Für andere irgendwie von Nutzen zu sein, war immer ein Thema für mich. Das war mir wichtig, es reizte mich. Ich wollte anderen etwas geben und unterhaltsam sein.«
Bruce wollte auch 1988 auf Welttournee gehen. Er konnte sich nur nicht entscheiden, ob er wieder die E Street Band mitnehmen oder diesmal solo touren sollte. Weil Bruce und Landau eine relativ intime Atmosphäre für die Präsentation der neuen Songs für angemessen hielten, buchten sie zunächst eine Reihe mittelgroßer Hallen für dreibis fünftausend Zuschauer, die sich sowohl für Soloauftritte als auch für Konzerte mit einer kleineren Band eigneten. Im Spätherbst ließ sich Bruce die möglichen Optionen noch einmal durch den Kopf gehen und entschied sich schließlich doch dafür, auf seine eingespielten E Streeter zurückzugreifen. »Er ließ uns alle für zwei Tage pro Woche nach New Jersey kommen, um die Tunnel -Songs einzustudieren«, erklärt Lofgren. »Er hat sich sehr viele Gedanken darüber gemacht, wie er die Tour diesmal gestalten sollte. An einem Wochenende kam ich sogar ganz alleine vorbei; ich sollte nur meine Akustikgitarren mitbringen. Glücklicherweise entschied er sich dann doch, mit der kompletten E Street Band zu touren und zudem die Bläser mitzunehmen.«
Nachdem Bruce die Idee mit der Solotour fallengelassen hatte, stellte er eine Tourband zusammen, zu der neben den E Streetern auch die Miami Horns 2 gehörten. Diese Combo, deren Mitglieder häufiger wechselten, hatte Mitte der 70er-Jahre als Bläsersektion für Southside Johnny and the Asbury Jukes angefangen. In einer früheren Besetzung war die Truppe zwischen 1976 und 77 einige Zeit mit Bruce und der E Street Band auf Tour gewesen, und in den Jahren danach hatten die Miami Horns immer mal wieder als Gäste mit auf der Bühne gestanden. 3
Bruce wollte im Vergleich zu den vorangegangenen Touren – und insbesondere zur letzten – einiges grundlegend ändern. Daher legte er erst einmal eine Liste mit den beliebtesten Livesongs an, die er zu seinem persönlichen Index erklärte. Darauf standen unter anderem vermeintlich unverzichtbare Highlights wie »Thunder Road«, »The Promised Land« und »Badlands«. »Ich hatte das Gefühl, mich von diesen Eckpfeilern meines Sets lösen zu müssen«, erklärte er Journalisten beim Tourauftakt in Worcester, Massachusetts, am 25. Februar 1988. Einmal angefangen, liebgewonnene Gewohnheiten aufzubrechen und damit allseitige Erwartungen zu unterlaufen, nahm Bruce auch Änderungen an der üblichen Bühnenaufstellung vor: Weinberg war mit seinen Drums nun nicht mehr wie gewohnt zurückgesetzt in der Bühnen mitte zu finden, sondern links hinten. Bittan und Federici tauschten mit ihren Keyboards die Seiten, und Clemons stand statt wie bisher auf Bruce’ rechter auf seiner linken Seite. Am angestammten Platz des Big Man stand nun Patti Scialfa, die die meiste Zeit Akustikgitarre spielte und viele von Clemons’ ehemaligen Aufgaben als Bruce’ Bühnenpartner übernahm: Sie legte mit Bruce die eine oder andere Tanzeinlage hin und kam für Duette oder sonstige Gesangseinlagen zu ihm ans Mikro.
Eine weitere radikale Neuerung war in den Setlists der einzelnen Shows zu finden: Sie waren fast identisch – etwas, das vorher undenkbar gewesen wäre. Wenn es nicht gerade durch zuvor einstudierte Choreografien oder Showeinlagen erforderlich war, sollten sich die Bandmitglieder überdies so wenig wie möglich von den ihnen zugewiesenen Plätzen entfernen. Darüber hinaus mussten sie sich in Abstimmung mit dem eigens für die Tour engagierten Kostümdesigner
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