Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

der E Street Band auch noch durch eine Affäre zu verkomplizieren, könnte ihn abgeschreckt haben. Überdies dürften ihn die zu erwartenden Berichte der Boulevardpresse, die man sich leicht ausmalen konnte, auch nicht gerade dazu ermutigt haben, mit Patti Scialfa anzubandeln. Letztendlich entschied er sich also für Julianne. Drei Jahre währte ihre Ehe, in denen kaum jemand glaubte, dass die beiden etwas anderes verband als die offene, herzliche Zuneigung, die sie in der Öffentlichkeit zur Schau stellten. Als Julianne Bruce zu Beginn der Tunnel -Tour Ende Februar, Anfang März begleitete, waren alle, die die beiden zusammen erlebten, erstaunt wie entspannt und glücklich sie wirkten.
    Sowohl Bruce als auch Julianne reden in der Öffentlichkeit bis heute so gut wie gar nicht über ihre Ehe. Mitte der 90er-Jahre sagte Bruce in einem von Nick Dawidoff geführten Interview: »[Juli] zählt zu den besten Menschen, die ich je kennengelernt habe. Aber wir waren sehr verschieden, und mir wurde klar, ich hatte gar keine Ahnung, was es bedeutet, verheiratet zu sein.« Als ich ihn auf seine erste Ehe anspreche, antwortet Bruce mit einer Gegenfrage: »Hat Juli mit dir gesprochen?« Nein, nicht wirklich. Sie spricht grundsätzlich mit niemandem darüber, muss ich zugeben, woraufhin er nur noch über die Stärken seiner Ex-Frau und seine eigenen Schwächen spricht. »Die Gefühle, die mit dem Versuch einhergingen, ein erwachsenes Leben an der Seite einer Partnerin zu führen, haben vieles zutage gefördert, um das ich zuvor einen großen Bogen gemacht habe«, sagt er und lässt es dabei bewenden. Julianne bedankt sich auf ihre Weise: »Ich bin nie mit meinem Privatleben hausieren gegangen, im Gegenteil. Das Einzige, was ich dazu sagen werde, ist, dass ich in dieser Zeit sehr viel über mich erfahren habe und als Persönlichkeit sehr gereift bin. Und das verdanke ich Bruce.« Das ist alles, was sie sich zu dem Thema entlocken lässt. Bedenkt man, wie hastig und gedankenlos er diese Phase seines Lebens beendete, ist das ein bemerkenswert gnädiges Fazit seiner Ex-Frau.
    Nachdem Bruce seinen Ehering abgelegt hatte, verbargen er und Patti ihre Gefühle füreinander nicht mehr vor der Band und der Crew. Sie schmusten hinter der Bühne und kuschelten sich während der Flüge aneinander. Da niemand über die Trennung von Julianne informiert worden war, reagierten Tallent und seine Freundin überrascht, als sie die beiden im Flugzeug miteinander turteln sahen. »Meine Freundin fragte: ›Himmel, was geht denn hier ab?‹ Und ich wusste doch auch von nichts.« Dass Bruce’ Ehe gescheitert war, blieb auch bis zum Ende der US-Tour am 23. Mai 1988 und während der ersten Tage der Europa-Tournee weiterhin mehr oder weniger geheim. Bis er mit der Band im Juni in Rom gastierte.
    Am Morgen des 15. Juni strahlte die Sonne am azurblauen Himmel über der Ewigen Stadt. Kein Wunder, dass es Bruce und Patti kurz nach dem Aufwachen hinaus auf den Balkon ihres Hotelzimmers zog. Eng umschlungen standen sie beieinander und blickten verträumt über die Dächer der Stadt – nicht ahnend, dass irgendwo in der Nähe ein Fotograf auf der Lauer lag, ein Profi aus dem Land, aus dem nicht zufällig der Begriff Paparazzi stammt. Klick, klick, klick! Wenig später lagen sie mit Drinks in der Hand zusammen auf einem Liegestuhl. Klick, klick, klick! Die Fotos sorgten sofort für Schlagzeilen, zunächst in Europa, dann in den USA. Am 17. Juni bestätigte Landaus Managementfirma in einer offiziellen Erklärung die Trennung von Bruce und Julianne. Einen Tag später schlenderten Bruce und Patti Arm in Arm durch Paris, verfolgt von einer Meute französischer Journalisten und Fotografen.
    Dieser vermeintlich schwere Betrug an der Frau, die er erst vor drei Jahren geheiratet hatte, drohte sein Image als aufrichtiger, rechtschaffener Mann zu beschädigen. Der größte Teil der Boulevardmedien war auf Bruce erst aufmerksam geworden, nachdem er in die Rolle des ehrbaren Working-Class-Hero geschlüpft war. Man erwartete, dass er sich als ein solcher entsprechend anständig verhielt. Die ersten Schlagzeilen waren erwartungsgemäß heftig. Julianne wurde von Freunden verteidigt, die zu Recht vermuteten, dass sie tief verletzt worden war. Da Julianne selbst allerdings sehr würdevoll reagierte (sie äußerte sich in der Öffentlichkeit überhaupt nicht, abgesehen von einem ausschließlich ihre Karriere betreffenden Interview in der Augustausgabe des Magazins Us ) und