Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)
zusätzlich schadete.
5 Bruce hatte »Fire« auch in der Absicht geschrieben, den Song dem Helden seiner Kindheit als mögliche neue Single anzubieten.
6 Chuck Plotkin, der am Mischpult saß, wollte wissen, wie der Song klingen sollte. Bruce beschrieb ihm eine Filmszene, in der zwei junge Verliebte bei einem Picknick im Park sitzen. Die Sonne scheint, das Grass schimmert leuchtend grün, und in dem See, der vor ihnen liegt, ziehen die Enten einträchtig ihre Runden. Doch dann zoomt die Kamera langsam heraus und der Zuschauer entdeckt in den Büschen direkt hinter dem Pärchen einen Toten. »Dieser Song«, so Bruce zu Plotkin, »ist der Leichnam.«
Kapitel 21
ICH HATTE KEINE AHNUNG, WIE MAN EINE BEZIEHUNG FÜHRT
Als sie im Sommer 1987 letzte Hand an die neuen Songs legten und das Album abmischten, schrieb Bruce noch eine weitere Nummer, die letztlich zum titelgebenden Herzstück der neuen Platte wurde: Tunnel of Love. Als Sinnbild für die Ehe fungiert darin eine beliebte Jahrmarktsattraktion, ein typisches Fahrgeschäft. »Tunnel of Love« war wesentlich komplexer und charttauglicher als alle anderen Songs, die Bruce in diesem Jahr geschrieben hatte, und es lag eigentlich nahe, ihn mit der Band einzuspielen. Doch da alle anderen Songs auf dem Album von demselben Synthie-dominierten Sound geprägt wurden, entschied sich Bruce, diesen Stil auch für seinen Toptitel beizubehalten. »Ich arbeitete zunächst einen Ablaufplan aus, dann programmierte ich den Drumcomputer und nahm die Percussionspur auf«, sagt Scott. »Anschließend spielte Bruce seine Takes [auf seinen zahlreichen Instrumenten] ein … Und er sagte: ›Wow, dass ist großartig!‹ Noch nie hatte er derart befreit geklungen.« Dennoch prallten Bruce hier zu viele verschiedene Stile und Sounds aufeinander, sodass er die vier E Streeter Weinberg, Bittan, Lofgren und Scialfa an der Aufnahme beteiligte. Zudem mischte er noch die Schreie einiger Fahrgäste der Achterbahn im Point Pleasant Amusement Park 1 hinein.
Das Cover des am 9. Oktober 1987 erschienenen Albums Tunnel of Love zeigt den damals achtunddreißigjährigen, verheirateten Bruce in der Rolle des romantischen Cowboys. Eine Cowboy-Krawatte, ein sogenannter Bolotie, mit silberfarbenen Spitzen und eine silberne Gürtelschnalle setzen Akzente auf seinem schwarzen Anzug und dem weißen Hemd. Musikalisch zeichnet sich das Album vor allem durch Bruce’ Abkehr von den Bombastklängen à la Born in the U.S.A. aus, textlich stechen die scharfsichtigen Analysen der Liebesirrungen und -wirrungen heraus. Letzteres war besonders überraschend und unterstrich die Eigenständigkeit dieses Albums, da Bruce bisher um dieses Thema immer einen großen Bogen gemacht und Songs wie die, die er nun veröffentlichte, drei Jahre zuvor noch als »Ehemusik« abgetan hatte.
Die Kritiker waren sich einig, dass die neue Platte ziemlich gewagt war, weil sie als Nachfolger von Born in the U.S.A. bewusst alle damit verbundenen Erwartungen unterlief. Da Bruce nachgesagt wurde, alles, worüber er schrieb, gnadenlos zu romantisieren, leitete Steve Pond seine begeisterte Kritik im Rolling Stone mit der Feststellung ein, dass er auf Tunnel »nicht einmal die Liebe romantisiert«. Betonten die meisten Rezensenten in erster Linie die mutige Abkehr von den lauten, emotionsgeladenen Klängen des Vorgängeralbums, so erkannte Jon Pareles von der New York Times eine deutliche Parallele zwischen den Songs des neuen und des vorangegangenen Albums. Auf Born in the U.S.A. ging es um die damalige sozio-ökonomische Lage in Amerika und die Chancen, die sich den Menschen in diesem Land boten. »[Jetzt] befasst er sich mit einer weiteren Illusion, dem Mythos von der Liebe, die einen voll und ganz erfüllt und glückselig macht, die als Allheilmittel Wunder bewirkt«, so Pareles.
Bruce war zwar nicht daran gelegen, den spektakulären Erfolg, den er bei der breiten Masse Mitte der 80er-Jahre gehabt hatte, zu wiederholen, doch er hatte nichts dagegen, mit der Platte einen weiteren Hit zu landen. Genauso erfreut wie er und Landau war man bei Columbia/CBS, als Tunnel vielversprechend in die Charts einstieg und bereits drei Wochen nach seiner Veröffentlichung Nummer eins war. Allein in den USA verkaufte sich die Platte im Veröffentlichungsjahr über drei Millionen Mal. Zu den Singleauskopplungen, die allesamt erfolgreich waren (»Brilliant Disguise«: Platz fünf, »Tunnel of Love«: Platz neun, »One Step Up«: Platz dreizehn), wurden
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