Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Titel: Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ames Carlin
Vom Netzwerk:
wir haben ein oder zwei Abende geprobt und die Show am Wochenende gespielt. Und dann gab es kein Zurück mehr.«
    Das Trio, das sich Earth (Kurzform von The Earth Band) nannte – und immer, wenn der ehemalige Castiles-Mitstreiter Bob Alfano mit seiner Hammondorgel zu einem Gig mitkam, als Quartett auftrat –, erarbeitete sich ein Repertoire aus den beliebtesten Songs von Cream, Jimi Hendrix, Traffic, den Yardbirds und Steppenwolf, deren gerade als Single veröffentlichtes »Born to Be Wild« üblicherweise die Schlussnummer bei ihren Auftritten bildete. Da sie sich damit ideale Jam-Nummern herausgepickt hatten, war es für sie – auch dank Bruce’ immer dynamischer werdendem Gitarrenspiel – ein Leichtes, lange Konzerte zu geben. Schnell wurden zwei aufstrebende junge Manager namens Fran Duffy und Rick Spachner auf sie aufmerksam. Sie überredeten Bruce, Burke und Graham, ihre Karriere in ihre Hände zu legen und organisierten für die Band verschiedene Auftritte, die sie den Herbst über beschäftigt hielten.
    Zur gleichen Zeit schrieb sich Bruce, obwohl er sich in dem akademischen Umfeld eigentlich deplatziert fühlte, auf Bitten seiner Eltern für ein weiteres Semester am Ocean County Community College ein. Seine neue Bandkollegen, die aus gutsituierten Verhältnissen stammten und aus einer Gegend, in der man sehr viel Wert auf Bildung legte, halfen ihm dabei, durchzuhalten. »Sie waren gescheit, machten einen gebildeten Eindruck und kamen aus Familien, in denen Bildung eine große Rolle spielte«, sagt Bruce. »Diese Jungs gingen aufs College, was sie von meinen Kumpels aus Freehold unterschied – die gingen nach Vietnam.« Die Band probte im Keller der Grahams. Bruce lernte die Vorstadtidyllenmentalität von New Shrewsbury kennen und ließ sich sogar eine Zeit lang darauf ein. Graham und Burke lasen leidenschaftlich gern und versuchten auch, selbst zu schreiben. Daher sprachen sie mit Bruce, wenn sie sich lange genug über Musik unterhalten hatten, oft über eine mögliche Zukunft als Schriftsteller. Bruce, der mit einem Mal in der Welt der Intellektuellen durchaus auch eine Perspektive für sich sah, erzählte seinen Freunden, dass er sich nach seiner zweijährigen Ausbildung am OCCC an der Journalistenschule der Columbia University einschreiben wolle. Daran, dass er das Zeug dazu hatte, hatten Graham und Burke nicht den geringsten Zweifel. »Er beeindruckte mich tief und war sehr sympathisch«, erinnert sich Burke. »Ein sehr netter Kerl, witzig, gescheit, mit einem breit gefächerten Wissen über Musik«, sagt Graham. »Und auf der Bühne kannte er keine Scheu, da ging er total aus sich raus.«
    Der Verwaltungsrat des Ocean County Community College war weniger zuversichtlich, was die Zukunft seiner noch nicht als staatlich anerkanntes Bildungsinstitut zertifizierten Institution anbelangte (die Zertifizierung erfolgte 1969). Man fürchtete ähnliche Ausschreitungen wie an vielen anderen Colleges und Universitäten, an denen es zu Protesten, offenem Widerstand und teils sogar regelrechten Aufständen gekommen war. Sie hätten das Ende für das OCCC bedeuten können. In der Absicht, das zu verhindern, entschloss sich der Verwaltungsrat, proaktiv zu werden: Man hatte ein Auge auf Studenten, die aus der Masse hervorstachen. Nicht um sie zu überwachen oder sie aus fadenscheinigen Gründen des Colleges zu verweisen, aber um sicherzugehen, dass alles in geregelten Bahnen verlief und niemand plante, irgendetwas – oder irgendjemanden – in die Luft zu jagen.
    Natürlich hatten sie Bruce sofort im Visier. »Nur wenige von uns hatten lange Haare«, so Bo Ross, »und er gehörte dazu. Wir saßen alle zusammen an einem Tisch im Studentenwerk, vertrieben uns die Zeit und unterhielten uns.« Bruce, so erinnert er sich, war ein eher schweigsamer Typ; er trug eine Sonnenbrille mit Metallgestell und gelben Gläsern, mit der er aussah wie ein Auftragskiller. Meist hing er seinen Gedanken nach. Die anderen Studenten beeindruckte oder vielmehr beunruhigte er dadurch, dass er in einem stillen Korridor urplötzlich aus vollem Halse drauflossingen konnte. Wieder einmal machte er einen derart sonderbaren, ja verstörten Eindruck auf andere, dass sich selbst die eher großmäuligen Sportskanonen, die sich über die Hippies lustig machten, von ihm fern hielten. »Ich glaube, er wirkte einfach zu unheimlich, um sich mit ihm anlegen zu wollen«, sagt Ross.
    Vielleicht war diese demonstrative Andersartigkeit nur eine weitere Pose

Weitere Kostenlose Bücher