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Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Titel: Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ames Carlin
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Familie weiß es bis heute nicht. Vielleicht hatte es irgendwas mit den sich immer stärker ausweitenden Rassenkonflikten in der Stadt zu tun. Vielleicht handelte es sich aber auch um die Tat eines Verrückten. »Ich glaube, die Polizei kam noch vorbei«, sagt Bruce. Was auch dahintersteckte, ihm ist die ganze Geschichte nicht besonders nahegegangen. »Ich war damals noch ein Kind, daher fand ich die ganze Angelegenheit in erster Linie spannend«, erklärt er. »Aber es war schon ziemlich befremdlich.«
    Eines Sonntagmorgens schwang sich Bruce auf sein Moped, um Ginny zu einer Freundin zu fahren. Er setzte sie ab, machte sich wieder auf den Heimweg und genoss die frische Frühlingsluft, die durch seine lange Lockenmähne fuhr. Er hatte sein Ziel fast erreicht, als ihm eine große Limousine, deren Insassen gerade aus der Kirche kamen, auf der Jerseyville Avenue die Vorfahrt nahm. Als Lou Carotenuto, der diensthabende Streifenbeamte, am Unfallort eintraf, saß Bruce auf dem Bürgersteig. Er war bei Bewusstsein, aber sichtlich benommen und umklammerte sein Knie, das aus seiner zerrissenen, blutgetränkten Jeans hervorlugte. »Er strich über sein Knie, sagte aber immer wieder: ›Mir geht’s gut! Mir geht’s gut!‹«, so Carotenuto. »Genauso hätte sich auch Doug verhalten.« Angesichts von Bruce’ glasigem Blick, seinem stark angeschwollenem, blutenden Knie und seinen – wenn man es überhaupt noch so nennen konnte – stark verzögerten Reaktionen fackelte der Polizist nicht lange und rief umgehend einen Krankenwagen, der den die meiste Zeit über bewusstlosen Teenager in ein Krankenhaus nach Asbury Park brachte. Dort befreiten ihn die Notärzte von seiner Jeans und überantworteten ihn einem älteren Arzt, der von Hippies und Teenagern, die verprügelt wurden, offenbar die Nase gestrichen voll hatte. Angesichts des verletzten Jugendlichen mit den schulterlangen Haaren, der sich nur schwer artikulieren konnte, murmelte er, der Hippie habe vermutlich nur das bekommen, was er verdiene. Nichtsdestotrotz untersuchte er Bruce ausgiebig genug, um eine Gehirnerschütterung zu diagnostizieren und ihn zur Beobachtung und für weitere Untersuchungen dazubehalten.
    Adele machte sich große Sorgen – sowohl um ihren Sohn als auch um die Krankenhausrechnung, die auf sie zukam. Ihr wurde eine Kopie des Polizeiberichts zugestellt, demzufolge die Schuld für den Unfall voll und ganz bei dem Fahrer der Limousine lag. Für den Fall, dass sich dessen Versicherung weigern sollte, den entstandenen Schaden zu begleichen, konsultierte Adele einen Anwalt. Der ließ durchblicken, dass es ihre Chancen im Falle eines Rechtsstreits entscheidend verbessern würde, wenn Bruce als gepflegter Amerikaner vor Gericht erschien. Als Doug daraufhin mit einem Friseur im Schlepptau im Krankenhaus aufkreuzte, war Bruce entsetzt. »Ich sagte ihm, dass ich ihn hasse und dass ich ihm das nie verzeihen würde«, so Bruce, als er die Anekdote in den 80er-Jahren auf der Bühne, zwischen zwei Songs, erzählte. Selbst heute fühlt sich Adele bei der Erinnerung an diesen Vorfall sichtlich unwohl, dabei hatten sie nur ihr Möglichstes versucht, um der Familie – und vor allem ihrem Sohn – größere Probleme zu ersparen. »Jeder machte sich über ihn lustig«, sagt sie. »Wir fühlten uns schrecklich. Ich hätte nie gedacht, dass ihm das so zusetzen würde.« Doch mit drei Kindern zu Hause und all den Rechnungen, die bezahlt werden mussten, benötigte die Familie das Geld dringender als Bruce seine Haare.
    Dann wurde Ginny während ihres letzten Jahres auf der Highschool schwanger. Dass ihr Freund Michael »Mickey« Shave ein professioneller Rodeoreiter war, machte es der Familie nicht gerade einfacher, sich mit der Schwangerschaft abzufinden, die angesichts der herrschenden gesellschaftlichen und religiösen Ansichten eine schwere Bürde war, zumal es nicht nur um eine uneheliche Schwangerschaft, sondern auch noch um die eines Teenagers ging. Doch Ginny war nicht das erste Mädchen in ihrer Familie oder gar Nachbarschaft, das in eine solche Lage geraten war, daher atmete Adele einmal tief durch und tat, was getan werden musste. Das junge Paar wurde in einer bescheidenen Zeremonie getraut, die Familie gab nur ein kleines Fest und die jung Vermählten bereiteten sich darauf vor, dass für sie der Ernst des Lebens vorzeitig beginnen und sie beide in einer Art und Weise auf die Probe stellen würde, wie man es sich als Teenager nicht vorstellen kann. 2
    Wieder

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