Bruchlandung
was futtern, ich hab nämlich einen Bärenhunger.«
Nach dem Essen lümmelten sich die beiden auf der großen Couch im Wohnzimmer. Auf dem Tisch stand eine Flasche Rotwein mit zwei befüllten Gläsern, und aus der Stereoanlage erklang leise Musik. Die Themen möglicherweise bevorstehender Demenz und mangelnder Merkfähigkeit bei Maria hatten sich während des Hauptgangs irgendwie in Luft aufgelöst, auch deshalb, weil sie von neuen, aufregenden Entwicklungen in der Galerie, die sie mit einer Freundin zusammen betrieb, berichtet hatte.
»Wie war eigentlich dein Tag, jetzt, nachdem wir mehr als eine Stunde nur von mir und der Galerie und irgendwelchen für dich unbekannten Künstlern geredet haben?«
Der Hauptkommissar winkte ab.
»Nichts Besonderes. Zwei Tote, aber zum Glück nicht bei uns, sondern in Jena.«
»In Jena?«, wunderte sie sich, woraufhin Lenz ihr in groben Zügen erläuterte, was er im Lauf des Tages erlebt hatte.
»Diese Rockerbanden«, entgegnete sie, nachdem er geendet hatte, »machen mir immer unterschwellig Angst.«
Sie beugte sich nach vorn, nahm einen Schluck Wein und stellte das Glas zurück auf den Tisch.
»Letzten Sommer, als ich einmal mit Judy am Edersee gewesen bin, war es ganz schlimm. Wir hatten an einer Currywurstbude angehalten, weil uns der Duft nach Frittenfett im Vorüberfahren so furchtbar in die Nase gestiegen war, dass uns das Wasser im Mund zusammengelaufen ist.«
»Du machst Halt an einer Bratwurstbude?«, fragte er ungläubig.
»Klar, manchmal schon. Wenn es passt, sitze ich gern in einem schicken Café, und wenn es anders passt, stoppe ich an einer Würstchenbude und schiebe mir eine fetttriefende Currywurst in den Rachen.«
»Maria, da tun sich ja Abgründe auf.«
Sie stieß ihm ihren Ellbogen in die Seite.
»Hör auf, du Showman. Du weißt genau, dass ich manchmal Heißhunger auf so ein Zeug habe, und wenn das so ist, dann gebe ich dem auch nach. Wie auch immer, Judy und ich stehen also an dieser Bude irgendwo zwischen dem See und Bad Wildungen und mümmeln unsere Würstchen, als eine Horde dieser Rocker anfährt. Alle mit Harley-Davidsons übrigens, aber das hat mir Judy gesteckt, ich kenne mich mit diesen Dingern ja nicht aus. Auf jeden Fall ging, zumindest für Judy und mich, allein von deren Anwesenheit so viel Einschüchterungspotenzial aus, dass wir die Hälfte unserer Würste stehen gelassen haben und verduftet sind. Und ich glaube auch, dass der Mann und die Frau hinter der Theke sich alles andere als wohlgefühlt haben.«
»Wie viele Motorräder waren es denn?«
Maria überlegte eine Weile.
»Du weißt, dass solch eine Schätzfrage für mein Spatzenhirn eine echte Herausforderung ist, Paul«, erwiderte sie schließlich lachend. »Aber es waren bestimmt 30, vielleicht sogar mehr. Manche der Fahrer waren allein unterwegs, andere hatten Frauen hinten drauf sitzen.«
Nochmals eine kurze Phase des Überlegens.
»Die übrigens alle recht jung und ziemlich schlank gewesen sind«, sinnierte sie. »Was darauf schließen lässt, dass es für die Anbahnung einer Beziehung mit einem Rocker von Vorteil sein dürfte, zumindest diese beiden Attribute zu erfüllen. Aber im Ernst, mich schaudert noch heute, wenn ich an die Situation denke.«
»Haben sie euch in irgendeiner Form bedrängt, belästigt oder angemacht?«
»Sag mal«, rief sie laut, »hörst du mir eigentlich zu? Ich habe von jung und schlank gesprochen, und du fragst mich, ob die uns angemacht haben? Judy und ich passen, mit Verlaub, ganz und gar und überhaupt nicht mehr in das Beuteschema dieser Männer. Und darum, ob sie uns nun angemacht haben könnten oder nicht, geht es auch gar nicht. Es geht einfach um die ungemeine physische Präsenz, die von solchen Gruppen ausgeht. Wenn es ein einzelner Mann mit Kutte ist, so könnte ich es mir zumindest vorstellen, wäre das vermutlich anders, aber in der Gruppe haben die etwas latent Gewalttätiges. Da schwebt über allem, wobei sich das naturgemäß eher gegen Männer richtet, aber beileibe nicht nur, die Drohung, wenn du uns nur schief anschaust, du Arschloch, kriegst du gehörig was auf die Schnauze . Und ich tue mich einfach schwer mit diesem ganzen Gewaltzeugs, aber das weißt du ja.«
»Ja, das weiß ich tatsächlich, Maria. Und Gewaltzeugs, wie du es nennst, steht bei denen leider ganz oben auf der Tagesordnung.«
Er erzählte ihr ausführlich von den Begebenheiten am Herkules im vergangenen Sommer.
»Boah, das klingt ja abscheulich«, fasste
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