Bruchlandung
sie nach seinen Schilderungen angewidert zusammen. »Und solche Leute werden auf Kaution freigelassen?«
»Irgendwie hat es sein Anwalt geschafft, ja.«
»Das glaube ich alles nicht. Viele andere müssen für weniger im Knast bleiben, schon allein, weil sie das Geld für die Kaution nicht aufbringen können.«
»Tja, meine Liebe, niemand hat behauptet, dass Gerechtigkeit und Barmittel nicht im Zusammenhang stehen.«
»Wenn du das so sagst, kommt mir das Abendessen noch ein bisschen weiter nach oben gerutscht.«
»Ja, aber so ist es nun mal. Dieser Blatter, der Rocker, hat …«
»Heißt der wirklich Blatter?«
»Ja, so hat es mir mein Kollege zumindest erzählt. Ich konnte mir den Namen auch ganz gut merken, weil ich mir die Eselsbrücke zu diesem korrupten Fußballboss gebaut habe, diesem Schweizer.«
Sie überlegte einen Moment.
»Ach so, du meinst Sepp Blatter, den Boss des Weltfußballverbandes.«
»Genau den meinte ich. Warum hat dich der Name Blatter eben so stutzen lassen, Maria?«
»Ich hatte die Assoziation zu einem Klassenkameraden aus der Grundschule, der hieß auch Blatter. Ich glaube, sein Vorname war Dieter. Oder nein, ich weiß es ganz genau, er hieß Andreas. Andreas Blatter. Der war damals der Schrecken der Straße und das tiefschwarze Schaf seiner sehr angesehenen Familie.«
»Der Rocker vom Herkules, also dieser Blatter, heißt auch Andreas mit Vornamen. Aber das ist bestimmt nur ein dummer Zufall.«
Die Frau des Hauptkommissars überlegte wieder eine Weile.
»Vorstellen könnte ich mir schon, dass er bei so einer Gang gelandet ist. Aber vielleicht hast du auch recht, und es ist einfach nur eine banale Namensgleichheit.«
»Ja wahrscheinlich.«
»Immerhin«, lenkte sie mit einem schlagartig aufgehellten Gesicht das Gespräch in eine andere Richtung, »gibt es auch noch eine gute Nachricht zu vermelden. Na ja, jetzt nicht direkt für dich, aber immerhin für mich.«
»So, was soll das denn sein?«
»Judy hat unsere Reise gebucht. Eine Woche Teneriffa, wie ich es dir angedroht hatte. Übermorgen geht es los.«
»Von Drohung kann da aber keine Rede sein, Maria, immerhin bin ich dich für ganze sieben Tage los und kann endlich mal wieder machen, was ich will, wenn ich von einem harten und langen Arbeitstag nach Hause komme.«
»Stimmt, du kannst in der Woche machen, was du willst. Was nach meiner Einschätzung damit enden wird, dass es eine Woche lang Futter vom Pizza-Taxi und danach Dosenbier und Chips vor der Glotze geben wird.«
»Puh, jetzt hast du mich aber verdammt noch mal eiskalt erwischt. Genau so hatte ich mir diese Zeit nämlich vorgestellt.«
»Du wirst dich unterstehen, auch nur ein einziges Gramm zuzunehmen, während ich weg bin. Sonst kriegst du eine ganze Woche lang nur Gemüsebrühe und Mineralwasser.«
»Was für feine Aussichten«, brummte er vergnügt.
Zwei Stunden später lag Maria zufrieden schnarchend im Arm des Polizisten, während er noch einmal den Inhalt des Gesprächs mit ihr durchging. Es gab Zufälle, da war er sich sicher, aber in einer Stadt wie Kassel eine solche Namensgleichheit, das wäre schon sehr ungewöhnlich. Auf der anderen Seite, was würde es schon bedeuten, dass der Mann, selbst wenn es sich um ein und dieselbe Person handeln sollte, in grauer Vorzeit mit seiner Frau die gleiche Schule besucht hätte? Nichts eigentlich, und trotzdem nahm er sich vor, diesen Aspekt im Auge zu behalten.
9
Die beste Anlaufstelle in Fragen zu Kasseler Bürgern, egal ob strafrechtlich vorbelastet oder nicht, die Lenz sich vorstellen konnte, war sein alter Freund und gleichzeitig der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Nordhessen, Uwe Wagner. Außerdem stand bei diesem nicht zu befürchten, dass er von wohlschmeckendem, frisch aufgebrühtem Kaffee auf irgendwelche dubiosen indischen Teesorten umgestiegen sein könnte. Deshalb führte den Kommissar der erste Weg am folgenden Morgen in das Dienstzimmer des Kollegen.
»Mensch, Paule, dich hab ich ja eine Ewigkeit nicht gesehen«, wurde er von dem Pressemann mit einer herzlichen Umarmung begrüßt.
»Na ja«, relativierte Lenz den klitzekleinen, aber doch nicht zu überhörenden Vorwurf, »immerhin war ich nicht 14 Tage zum Skilaufen in Kanada wie andere Mitarbeiter des Hauses.«
»He, he«, machte Wagner auf beleidigt, »ich habe mir seit mindestens 20 Jahren vorgenommen, das einmal zu machen, und jetzt kommst du mir so; das kann doch nicht dein Ernst sein. Du könntest dich wenigstens ein bisschen mit
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