Bruchlandung
ist denn mit dem los, das kann ich ja kaum glauben.«
»Ist aber so.«
Nun folgte ein Abriss des Gesprächs in Lehmanns Büro.
»Interessant. Warum er euch das Ding lässt, werden wir zwar nicht erfahren, aber das ist auch nicht so wichtig. Immerhin wissen Thilo und du jetzt, wie das mit den Black Crows alles so zusammenhängt.«
»Und vielleicht hat Weißenstein ja auch recht, und die ganze Sache hat wirklich nichts mit denen zu tun.«
Wieder dachte Wagner einen Augenblick lang nach.
»Möglich wäre es, ja. Diese Kabeldiebe werden tatsächlich immer dreister; und vielleicht war es wirklich so, dass die beiden einfach das Pech hatten, zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein.«
»Und vergiss nicht, dass die Kollegen aus Jena noch den Hut aufhaben, was die Ermittlungen betrifft. Wir schauen einfach, ob wir sie irgendwie unterstützen können, den Rest allerdings müssen sie schon selbst regeln.«
»Auch keine schlechte Sache«, feixte Wagner, »ein Doppelmord, bei dem man sich so quasi an der Außenlinie bewegen kann. Kommt ja auch nicht jeden Tag vor, so was.«
»Außenlinie ist ein gutes Stichwort«, entgegnete Lenz, trank seinen Kaffee aus, erhob sich und stellte die Tasse auf die dafür vorgesehene Ablage. »Ich will mal schauen, was der Kleine so treibt. Nicht, dass er schon eine Vermisstenanzeige nach mir aufgegeben hat.«
Wie bestellt klopfte es kurz an der Tür, die direkt danach geöffnet wurde.
»Wie könnte es anders sein«, brummte der junge Oberkommissar.
»Ich wollte gerade runter kommen«, antwortete sein Boss grinsend.
»Ach ja?«
»Ja, ehrlich. Was meinst du, warum ich schon stehe?«
»Weil du mich kommen gehört hast.«
»Quatsch, Thilo. Komm, lass uns losfahren, wir haben viel vor heute.«
»Jetzt will ich zuerst auch einen Kaffee«, entgegnete Hain mit Blick auf die frisch benutzte Tasse in der Ablage.
»Kaffee bei Onkel Uwe ist heute nicht«, entschied Lenz mit hochgezogenen Schultern. »Du kriegst auf dem Weg ins Krankenhaus einen bei Tchibo in der Stadt. Ich lade dich auch ein.«
»Was soll ich denn bei Tchibo?«
»Hör auf zu wimmern und komm.«
»Ich denke, wir wollen zu Deutschlands Kaffeekanne Nummer eins und danach ins Krankenhaus«, nörgelte Hain, als kurz darauf klar wurde, dass sein Chef sich in Richtung ihrer eigenen Abteilung bewegte.
»Ja, ja, nun sei mal nicht so ungeduldig. Zuerst müssen wir noch bei RW vorbei und ihn mit Arbeit versorgen, damit ihm nicht langweilig wird.«
Hauptkommissar Rolf-Werner Gecks, von allen nur RW genannt, saß an seinem Schreibtisch und arbeitete an einem Bericht.
»Du könntest«, bat Lenz nach einer kurzen Begrüßung und einer knappen Zusammenfassung der Ereignisse des Vortags, die diesmal Hain übernahm, »mal versuchen, möglichst viel über einen gewissen Andreas Blatter herauszubekommen. Seine Daten findest du im System, natürlich auch alle seine Kontakte mit uns und der Judikative.«
»Aber ich habe doch die strikte Order von dir«, entgegnete Gecks halbherzig, »den Bericht zu der aufgeklärten Brandstiftung in Niederzwehren endlich abzuliefern. Gilt die jetzt oder gilt sie nicht? Ich meine, ich reiß mich nicht drum, hier am Schreibtisch zu sitzen und mir einen Bericht aus den Fingern zu saugen, während ihr in einem Doppelmord ermittelt.«
»Den Bericht stellst du zurück, der hat Zeit.«
»Das klang vorgestern aber noch ganz anders, Paul.«
»Ich weiß. Aber jetzt kümmerst du dich vorrangig um diesen Andreas Blatter. Es wäre übrigens auch interessant zu erfahren, auf welcher Grundschule er gewesen ist.«
»Auf welcher Grundschule? Wie alt ist der Kerl denn?«
»47, glaube ich.«
»Und du bist sicher, dass du wissen willst, auf welcher …«
Gecks brach seinen Satz ab. »Was interessiert es mich, warum du was wissen willst. Ich kümmere mich darum, aber sei nicht beleidigt, wenn sich das auf die Schnelle nicht herauskriegen lässt bei einem Mann knapp unter 50.«
»Nein, RW, das ist wirklich nur die Kür. Was die Pflicht angeht, weißt du, was wir brauchen. Er ist übrigens der Präsident der Black Crows.«
»Der Rockergang?«
»Exakt.«
»Heilige Scheiße.«
10
Thomas Blatter wischte zum x-ten Mal seine feuchten Finger an der Hose ab und sah dabei nervös aus dem Fenster. Am liebsten hätte der Jurist die Notbremse der Straßenbahn nach unten gerissen und wäre hinausgestürmt, doch er wusste, dass ihm solch eine Kurzschlusshandlung höchstens eine Atempause verschaffen würde, nicht mehr.
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