Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel
angeklagt oder verurteilt worden war und dessen Tod nach Gerechtigkeit verlangte, sollte nicht mit den anderen Hingerichteten beerdigt werden.
Im Hause von Pater Elias wurde Giles Siwards Leiche von seiner Schwester gewaschen und in ein Leichenhemd gekleidet. Der Pater half ihr dabei. Hugh Beringar wartete vor der Tür auf sie. Sein Angebot, ihr zu helfen, hatte sie abgelehnt, sie war dieser Aufgabe wohl gewachsen, und sie hätte nicht Dankbarkeit, sondern Widerwillen empfunden, wenn man versucht hätte, ihr auch nur einen Teil davon abzunehmen.
Aber als ihr Bruder schließlich vor dem Altar aufgebahrt war, fühlte sie sich plötzlich zu Tode erschöpft, und obwohl er kaum ein Wort sagte, war sie doch froh, Beringar auf dem Rückweg zu ihrem Haus neben der Mühle an ihrer Seite zu wissen.
Am folgenden Morgen wurde Giles Siward in der Familiengruft von St. Alkmund beigesetzt, und die Mönche des Klosters beerdigten die Sechsundsechzig gefallenen Soldaten, die sich immer noch in ihrer Obhut befanden.
Kapitel IV
Aline hatte die Jacke, die Hose und den Umhang ihres Bruders an sich genommen. Es waren gute Kleidungsstücke, die nicht einfach weggeworfen werden durften – es gab so viele, die halb nackt waren und unter der Kälte litten. Sie faltete sie zu einem Bündel zusammen und ging in den Garten des Klosters, um Bruder Cadfael zu suchen, aber sie konnte ihn nicht finden. Ein Grab auszuheben, das groß genug ist, um sechsundsechzig Tote aufzunehmen, dauert länger als das Öffnen einer Gruft.
Zwar halfen viele Hände mit, aber die Klosterbrüder waren doch bis lange nach Mittag damit beschäftigt.
Aber wenn sie auch Cadfael nicht antraf, so doch seinen Gehilfen, der emsig vertrocknete Blüten abschnitt und Blätter und Stengel sammelte, die er in Büscheln zum Trocknen aufhängte. Die ganze Schmalseite des Schuppens war mit trocknenden Kräutern behängt. Der Junge arbeitete barfuß; er war staubbedeckt, und einer seiner Wangen war verschmiert.
Als er sie kommen hörte, blickte er auf und kam eilig auf sie zu.
Er strich sich mit seiner Hand das Haar aus dem Gesicht und verschmierte so auch noch die andere Wange und seine Stirn mit Gartenerde.
»Eigentlich habe ich Bruder Cadfael gesucht«, sagte Aline fast entschuldigend. »Du bist sicher Godric, der Junge, der ihm hilft.«
»Ja«, sagte Godric mit belegter, tiefer Stimme. »Bruder Cadfael ist immer noch bei der Arbeit, sie sind noch nicht fertig.« Sie hatte ihm helfen wollen, aber das hatte er nicht zugelassen; je weniger Leute sie bei Tageslicht sahen desto besser.
»Oh!« sagte Aline verlegen. »Natürlich, daran hätte ich denken müssen. Kann ich bei dir eine Nachricht für ihn hinterlassen?
Ich habe nämlich die Kleider meines Bruders mitgebracht. Er braucht sie nicht mehr, aber sie sind gut erhalten, ein anderer wird sich darüber freuen. Bitte richte Bruder Cadfael aus, er möge sie jemandem geben, der sie gebrauchen kann.«
Godith hatte ihre schmutzigen Hände an ihrem Kittel abgewischt, bevor sie das Bündel an sich nahm. Reglos drückte sie die Kleider des Toten an sich und betrachtete die Frau ihr gegenüber. Sie war so erschrocken, daß sie einen Augenblick lang vergaß, ihre Stimme zu verstellen. »Er braucht sie nicht länger... war Euer Bruder denn in der Burg? Oh, das tut mir leid! Das tut mir wirklich leid!«
Aline blickte auf ihre leeren Hände. »Ja. Er hatte seine Wahl getroffen«, sagte sie. »Man hat mir zwar gesagt, daß er die falsche Seite gewählt hat, aber immerhin hat er bis zum Ende durchgehalten. Mein Vater wäre sicher wütend auf ihn gewesen, aber wenigstens hätte er sich seiner nicht zu schämen brauchen.«
»Es tut mir leid!« Godith wußte nichts Besseres zu sagen. »Ich werde es Bruder Cadfael ausrichten, sobald er kommt. Und ich danke Euch in seinem Namen für Eure milde Gabe.«
»Gib ihm auch dieses Geld. Davon sollen Messen für alle Toten gelesen werden, und eine Messe für den einen, der nicht dorthin gehörte, den Unbekannten.«
Godith sah sie überrascht an. »Ein Unbekannter? Einer, der nicht dorthin gehört? Davon wußte ich nichts!« Sie hatte Cadfael nur kurz gesehen. Er war spät und müde heimgekommen und hatte keine Zeit gehabt, ihr irgend etwas zu erzählen. Sie wußte nur, daß die Toten, die nicht von ihren Familien abgeholt worden waren, im Kloster beerdigt wurden.
»Ja, das hat er gesagt. Anstatt vierundneunzig waren es fünfundneunzig Tote, und einer von ihnen schien unbewaffnet gewesen zu
Weitere Kostenlose Bücher