Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel
Aline vorsichtig, »wenn ich sagen würde, daß mich das freut?«
»Ich habe von Euch nichts anderes erwartet, und ich verehre Euch dafür. Ich weiß, Ihr könntet es nicht ertragen, daß irgendein Lebewesen einer Gefahr, einem Schmerz oder der Gefangenschaft ausgesetzt wird – um wieviel weniger also ein unschuldiges Mädchen? Ic h habe sehr viel von Euch gelernt, Aline.« Es folgte ein bedeutungsvolles Schweigen, und als er fortfuhr, war seine Stimme so leise, daß Godith seine Worte nicht verstehen konnte. Er klang jedoch so eindringlich und vertraulich, daß sie sich gar keine Mühe gab. Nach einigen Augenblicken hörte sie Aline sagen: »Ihr dürft heute abend keine großen Erwartungen in mich setzen. Für viele Menschen war es ein schwerer Tag, und ich fühle mich so müde wie die meisten von ihnen. Und auch Ihr müßt erschöpft sein! Laßt mich erst ausruhen – es wird sich bald eine bessere Gelegenheit ergeben, über diese Dinge zu sprechen.«
»Richtig!« sagte er, und seine Stimme war wieder die eines pflichtbewußten Soldaten. Es klang, als habe er sich wieder eine Last auf die Schultern geladen, um sie weiter zu tragen.
»Vergebt mir, es war der falsche Augenblick. Die meisten meiner Männer sind jetzt schon wieder im Feldlager. Ich werde ihnen folgen und Euch schlafen lassen.«
Die Stimmen wurden leiser und entfernten sich zur Haustür.
Godith hörte, daß sie geöffnet und, nach einem kurzen Wortwechsel, wieder geschlossen wurde. Der Riegel fiel ins Schloß, und einige Augenblicke später klopfte Aline an die Tür des Schlafzimmers. »Ihr könnt aufmachen, er ist weg.«
Errötet und mit gerunzelter Stirn stand sie in der Tür. Ihr Gesicht drückte eher Überraschung als Unwillen aus. »Es scheint, als hätte ich nichts Unrechtes getan, als ich Euch Unterschlupf gewährte«, sagte sie mit einem Lächeln, das Adam Courcelle, hätte es ihm gegolten, sehr froh gemacht hätte. »Ich glaube, er ist erleichtert, daß er Euch nicht gefunden hat. Die Soldaten ziehen ab. Es ist alles vorbei. Jetzt brauchen wir nur noch auf die Dunkelheit und Bruder Cadfael zu warten.«
Im Schuppen versorgte Bruder Cadfael die Wunden seines Patienten, gab ihm etwas zu essen und beruhigte ihn.
Nachdem seine erste Frage zu seiner Befriedigung beantwortet war, legte sich Torold gehorsam auf die Bank, die Godith als Bett gedient hatte, und ließ sich die Schulter und die Beinwunde, die schon fast verheilt war, neu verbinden. »Wir wollen doch nicht, daß diese Verletzungen wieder aufbrechen«, meinte Bruder Cadfael, »und Euer Fortkommen verzögern, wenn ihr heute nacht nach Wales reitet.«
»Heute nacht?« fragte Torold aufgeregt. »Wir sollen heute nacht losreiten? Wir beide – sie und ich?«
»Ja, ihr beide gemeinsam. Es ist höchste Zeit. Ich glaube, ich kann diese Art von Aufregung nicht mehr lange ertragen«, sagte Cadfael, obwohl seine Stimme fast zufrieden klang.
»Nicht, daß mir eure Gesellschaft zuwider ist, versteh mich recht, aber dennoch werde ich sehr erleichtert sein, wenn ihr erst einmal auf dem Weg nach Wales seid. Ich werde euch noch etwas mitgeben, das euch das Vorankommen in Wales erleichtern wird. Obwohl FitzAlan ja alles schon mit Owain Gwynedd abgesprochen hat, und Owain steht zu seinem Wort.«
»Wenn wir erst einmal unterwegs sind«, versprach Torold, »werde ich gut auf Godith achtgeben.«
»Und sie auf dich. Ich werde ihr einen Topf von der Salbe mitgeben, mit der ich dich behandelt habe, und noch einige andere Dinge, die ihr brauchen könntet.«
»Und sie hat das Boot und den Schatz ganz alleine fortgeschafft!« sagte Torold stolz. »Wie viele Frauen würden in einer solchen Situation den Kopf bewahren und so überlegt handeln? Und diese andere Frau hat sie aufgenommen und Euch so umsichtig verständigt!« Gedankenverloren schwieg er einen Augenblick lang. »Aber wie sollen wir jetzt von hier fortkommen? Vielleicht haben sie eine Wache aufgestellt. Ich kann das Kloster auf keinen Fall durch das Tor verlassen – der Pförtner wird wissen, daß ich nicht auf diesem Weg hineingekommen bin. Und das Boot liegt nicht hier, sondern auf dem Mühlteich.«
»Schweig einen Moment und laß mich nachdenken«, sagte Cadfael, der gerade die letzten Lagen des Verbandes anlegte.
»Wie ist es dir ergangen? Du scheinst alles gut überstanden zu haben. In der Mühle hast du anscheinend alle Spuren gut beseitigt, denn es ist niemandem etwas aufgefallen. Du mußt die Soldaten früh bemerkt haben.«
Torold
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