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Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Titel: Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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denen er, nachdem er wieder aus dem Gebäude herausgekommen war, den Befehl gegeben hatte, es genau zu durchsuchen, bevor sie am Flußufer entlang weiterzogen. Torold erkannte ihn wieder. Er hatte ihn sich genau angesehen, voller Angst, dieser Mann könnte trotz aller Vorsichtsmaßnahmen auf eine Spur von ihm stoßen. Es war dasselbe Pferd und derselbe Mann. Er ritt jetzt vorbei, und es hatte den Anschein, als sei er nachlässig und unachtsam, aber Torold wußte, daß dieser Eindruck täuschte. Diesen scharfen, aufmerksamen Augen, die scheinbar so gleichgültig blickten, entging nichts.
    Aber jetzt wandte er ihm den Rücken zu, und auf der weiten Fläche der Wiese war sonst niemand in Sicht. Wenn er weit genug weiterritt, konnte Torold versuchen, die andere Seite des Baches zu erreichen. Selbst wenn er sich in der Eile verschätzte und zu kurz sprang, konnte er unmöglich im Bach ertrinken, und die Nacht war warm. Er mußte hinüber und sich Klarheit über Godiths Schicksal verschaffen.
    Ohne ein einzigesmal den Kopf zu wenden, ritt der Offizier weiter bis zum Ende des ebenen Geländes. Außer ihm und seinem Pferd war kein anderes Lebewesen zu sehen. Torold sprang auf und rannte über das offene Feld zum Bach, fand instinktiv oder durch Glück die vom Wasser überspülten Trittsteine und lief über das kahle Stoppelfeld auf der anderen Seite. Wie ein Maulwurf wühlte er sich in den Strohhaufen.
    Nach den aufregenden Ereignissen dieses Tages war er nicht überrascht, daß das Boot und das Bündel verschwunden waren, und er hatte keine Zeit darüber nachzudenken, ob dies ein gutes oder schlechtes Vorzeichen war. Die Strohhalme filterten das Tageslicht wie ein Spitzenschleier. Zitternd lag er da und blickte in die Richtung, in die sein Feind geritten war.
    Und der Reiter hatte kehrtgemacht. Bewegungslos saß er auf seinem Pferd und ließ seinen Blick über die Wiese schweifen, als habe irgend etwas seine Aufmerksamkeit erregt. Einige Minuten lang verharrte er so, dann machte er sich, genauso langsam wie er bachauf geritten war, auf den Rückweg.
    Torold hielt den Atem an und beobachtete ihn. Der Mann ließ sich Zeit und ritt seine Strecke mit Muße ab. Er hatte nichts zu tun, als immer wieder hier auf und ab zu reiten, um die Zeit totzuschlagen. Aber als er gegenüber des Erbsenfeldes angekommen war, hielt er sein Pferd an und sah lange auf die andere Seite des Baches. Er richtete seinen Blick auf den Strohhaufen und ließ ihn dort verweilen. Es kam Torold so vor, als erscheine auf dem düsteren Gesicht ein kleines Lächeln; die Hand, die die Zügel hielt, machte eine kleine Bewegung, die man für einen Gruß hätte halten können. Aber das war Unsinn, er mußte es sich eingebildet haben, denn der Offizier setzte sein Patrouillenritt fort und sah zur Mündung des Mühlkanals in den Bach hinüber. Er warf keinen Blick zurück.
    Torold lag in seinem Versteck, legte den Kopf in die Arme und fiel erschöpft in Schlaf. Als er erwachte, war die Dämmerung schon fortgeschritten. Es war sehr still. Eine Weile lauschte er angestrengt, dann kroch er aus dem Heuhaufen, warf einen Blick auf das verlassen daliegende Tal und schlich den Hang hinauf in den Klostergarten. Er fand den Schuppen, dessen Tür im Zwielicht weit und einladend offenstand, und warf einen beinahe ängstlichen Blick in das Dämmerlicht und die Stille, die im Inneren herrschten.
    »Dem Herrn sei Dank!« rief Bruder Cadfael aus und erhob sich von der Bank, um ihn hereinzuholen. »Ich habe mir gedacht, daß du herkommen würdest. Alle halben Stunden habe ich nach dir Ausschau gehalten, und jetzt bist du endlich da.
    Komm, setz dich, und mach dir keine Sorgen mehr. Wir haben alles recht gut überstanden.«
    Leise und drängend stellte Torold die einzige Frage, die ihm am Herzen lag: »Wo ist Godith?«

Kapitel IX
    Er konnte nicht wissen, daß Godith in eben diesem Moment ihr Ebenbild in einem Spiegel betrachtete, den Constance in einiger Entfernung für sie hielt, damit sie ihre ganze Gestalt sehen konnte. Sie war gewaschen und gekämmt und trug eines von Alines Kleidern, das in braunem und goldenem Brokat gearbeitet war. Sie wendete sich hin und her, um sich besser bewundern zu können und genoß das Gefühl, wieder Frau sein zu dürfen. Ihr Gesicht war jetzt nicht mehr das eines halbwüchsigen Burschen, sondern das einer standesbewußten jungen Adeligen, die weiß, über welche Reize sie verfügt. Das weiche Kerzenlicht ließ sie in ihren Augen nur noch

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