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Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Titel: Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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schilderte ihm die Ereignisse dieses langen, gefährlichen und unendlich anstrengenden Tages. »Ich sah die Abteilung, die das Flußufer und die Mühle durchsuchte – sechs Fußsoldaten und ein berittener Offizier. Bevor ich mich davonmachte, vergewisserte ich mich, daß nichts dort auf mich hindeutete. Der Offizier ging zuerst in die Mühle, kam dann wieder heraus und ließ sie von seinen Männern durchsuchen.
    Ich habe ihn heute abend noch einmal gesehen, als ich den Bach überquerte und mich im Strohhaufen verbarg. Er ritt ganz allein auf der anderen Seite auf und ab, zwischen dem Fluß und der Abzweigung des Mühlkanals. Ich erkannte ihn an seiner Haltung und an seinem Pferd. Als er mir den Rücken zuwandte, watete ich durch die Furt, und auf dem Rückweg zum Fluß blieb er genau gegenüber stehen und sah in meine Richtung. Ich hätte schwören können, daß er mich bemerkt hatte. Er sah mich genau an. Und er lächelte dabei! Ich war sicher, daß er mich entdeckt hatte. Aber dann ritt er weiter.
    Nein, er kann mich einfach nicht gesehen haben.«
    Sehr nachdenklich stellte Cadfael die Flaschen mit den Arzneien beiseite und fragte: »Du hast ihn an seinem Pferd wiedererkannt, sagst du? Was war so auffällig daran?«
    »Die Größe und Färbung. Es war ein großes Pferd mit einer ausgreifenden Gangart, nicht schön, aber stark, und vom Bauch bis zum Rücken in allen Farben gescheckt.«
    Cadfael rieb sich seine knollige Nase und kratzte sich an der Tonsur. »Und wie sah der Mann aus?«
    »Ein junger Bursche, kaum älter als ich, schlank und mit einer recht dunklen Tönung der Haut. Heute morgen konnte ich nur seine Kleidung und seine Haltung im Sattel erkennen, aber vorhin habe ich ihn genauer gesehen.
    Er hat ein hageres Gesicht mit hervorstehenden Backenknochen und schwarze Augen. Er pfiff leise vor sich hin«, fügte Torold hinzu, überrascht, daß er sich daran erinnerte. »Eine sehr schöne Melodie.«
    Das tut er oft, erinnerte sich auch Cadfael. Auch das Pferd hatte er schon einmal gesehen. Es war in den Ställen des Klosters zurückgelassen worden, als zwei bessere und unauffälligere fortgeschafft worden waren. Er sei bereit, zwei Pferde zu opfern, hatte der Besitzer gesagt, aber nicht alle vier und auch nicht die beiden besten. Und doch ritt er jetzt, nach der Requirierung, eines der Pferde, die er an jenem Abend im Stall zurückgelassen hatte, und zweifellos hatte er auch das andere der beiden behalten. Er hatte also gelogen. Seine Position beim König war bereits gefestigt; man hatte ihm heute sogar ein Kommando übertragen. Ein besonderes Kommando?
    Und wenn ja, wer hatte ihn dazu eingeteilt?
    »Und du glaubst, er hat dich gesehen?«
    »Als ich sicher im Versteck lag, habe ich zu ihm hinübergesehen, und da hatte er sich umgedreht.
    Möglicherweise hat er mich aus dem Augenwinkel heraus bemerkt.«
    Dieser Mann hat seine Augen überall, dachte Cadfael, und was ihnen entgeht, ist nicht der Rede wert. Aber laut sagte er nur:
    »Er hat also angehalten, zu dir hinübergesehen und ist dann weitergeritten?«
    »Ich bilde mir ein, er hätte sogar seine Hand gehoben und mich gegrüßt«, antwortete Torold und schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Aber da hatte ich eine solche Angst und Sehnsucht nach Godith, daß ich alles mögliche gesehen habe. Dann hat er sein Pferd gewendet und ist weitergeritten, genauso gemächlich wie vorher. Er kann mich also nicht gesehen haben.«
    Voller Erstaunen und Bewunderung überdachte Cadfael die Folgen dieser Begegnung. Während draußen die Nacht hereinbrach, ging ihm in seinen Gedanken ein Licht auf. Es war noch nicht ganz dunkel, nur die Sonne war schon untergegangen, und im Westen leuchtete das Abendrot am Himmel. Das Licht, das ihm aufgegangen war, war zwar nicht sehr groß, aber es versprach, doch etwas Klarheit in die Dinge zu bringen.
    Voller Angst, daß er durch sein Kommen Godith doch noch in Gefahr gebracht haben könnte, fragte Torold: »Er kann mich doch nicht gesehen haben, oder?«
    »Nein, du brauchst keine Befürchtungen zu haben«, beruhigte ihn Cadfael. »Es ist alles in Ordnung, Junge, keine Sorge. Ich muß jetzt zur Komplet. Verriegele die Tür hinter mir, leg dich hier auf Godiths Bett hin und versuche, etwas Schlaf zu finden.
    Sobald der Gottesdienst vorüber ist komme ich wieder.«
    Bruder Cadfael nahm sich jedoch die Zeit, einen Blick in die Ställe zu werfen und war nicht überrascht zu sehen, daß sowohl der Apfelschimmel als auch der Braune fehlte. Nach

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