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Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Titel: Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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boten ein so friedliches Bild, daß niemand etwas Böses von ihnen fürchtete. Zu ihrer Linken erhob sich hinter der hohen Umfassungsmauer die große Kirche, und im dunklen Schatten des Tores war die schmale Öffnung der kleinen Tür zu sehen. Der Pförtner, ein Laienbruder, war etwas überrascht, zu so später Stunde zwei Reitern öffnen zu müssen, aber als er sie erkannte, dachte er sich wohl, daß sie in einem offiziellen Auftrag unterwegs gewesen waren – nichts Ungewöhnliches in so unruhigen Zeiten. Er war müde, und wartete nicht einmal, bis sie die Ställe erreicht hatten, wo sie, wie es sich für Reiter gehört, zuerst die Pferde versorgten, bevor sie weiter zum Schuppen gingen.
    Beringar verzog das Gesicht, als er sich das Bündel auf die Schultern hob. »Und dieses Gewicht habt Ihr den ganzen Weg zum Waldhof geschleppt?« fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen.
    »Ja, Ihr habt es doch gesehen.«
    »Das nenne ich ein edles Werk! Würde es Euch wohl etwas ausmachen, es noch die paar Schritte bis zum Garten zu tragen?
    »Das würde ich mich nicht unterfangen«, antwortete Cadfael.
    »Schließlich gehört es jetzt Euch.«
    »Das habe ich befürchtet!« Beringar war jedoch bester Laune.
    Er hatte sich vor sich selbst bestätigt, hatte sich vor Godith reingewaschen und den Preis errungen, auf den er es abgesehen hatte. In seinem schlanken Körper steckte mehr Kraft, als man vermutet hätte, denn er trug das in Sackleinen verschnürte Paket ohne erkennbare Anstrengung den kurzen Weg zum Herbarium.
    »Ich habe irgendwo hier drinnen Feuerstein und Zunder«, sagte Cadfael und betrat den Schuppen als erster. »Wartet, bis ich Licht gemacht habe, es stehen viele zerbrechliche Sachen hier herum.« Er fand seine Utensilien, schlug einen Funken auf ein verkohltes Stück Tuch und entzündete mit der Glut den Docht eines kleinen Öllämpchens. In dem warmen, ruhigen Licht waren Mörser, Flaschen und seltsam geformte Destillationskolben zu erkennen. An den Wänden des Schuppens hingen büschelweise getrocknete Kräuter, die die Luft mit ihrem Aroma erfüllten.
    »Ihr seid ein Alchimist«, sagte Beringar beeindruckt, »wenn nicht gar ein Magier.« Er setzte seine Last auf dem Boden ab und sah sich interessiert um. »Hier hat sie also geschlafen?« Er hatte das Bett bemerkt, das immer noch von Torolds unruhigem Schlaf zerwühlt war. »Das habt Ihr für sie hergerichtet. Ihr müßt sie schon am ersten Tag durchschaut haben.«
    »Das stimmt. Es war gar nicht so schwer, und schließlich bin ich in der Welt herumgekommen. Wollt Ihr meinen Wein probieren? Ich mache ihn aus Birnen, wenn wir eine gute Ernte hatten.«
    »Gern! Wir werden darauf trinken, daß Ihr beim nächstenmal mehr Erfolg habt – gegen alle Widersacher außer Hugh Beringar.«
    Er lag auf den Knien und entknotete das Seil, mit dem seine Beute verschnürt war. Der Sack umhüllte einen zweiten, und dieser wiederum einen dritten. Beringars Miene verriet keine besondere Habgier oder fieberhafte Aufregung, sondern nur gespannte Erwartung. Aus dem dritten Sack kam ein Bündel aus schwarzem Stoff zum Vorschein, das gleich darauf auseinanderfiel. In ihm lag ein weißes Hemd, in das drei große, glatte Steine, ein aufgerollter Ledergürtel und ein kurzer Dolch in einer Lederscheide eingewickelt waren. Zuletzt fiel ein kleiner, harter, funkelnder Gegenstand heraus und rollte über den Boden bis vor Beringars Füße, wo er wie ein kleiner Ball aus Gold und Silber liegen blieb. Und das war alles.
    Er lag auf den Knien und starrte mit hochgezogenen Brauen und verblüfft aufgerissenen Augen in stummer Fassungslosigkeit auf das geöffnete Bündel. Zum erstenmal verriet sein Gesicht seine Gefühle – es stand kein Entsetzen, keine Bestürzung, kein Schuldgefühl darin. Er beugte sich vor und breitete mit einer Handbewegung alles vor sich aus, befühlte den Stoff, betastete die Steine. Seine Augen blitzten verstehend; er warf Cadfael einen Blick zu, und dann brach er in ein lautes, unbändiges Lachen aus. Der Schuppen hallte davon wider, es kam aus tiefstem Herzen und es schüttelte ihn am ganzen Körper, so daß Cadfael selbst in dieser heiklen Situation davon angesteckt wurde und mitlachen mußte.
    »Und ich habe Euch noch bemitleidet«, rief Beringar und rang nach Atem, »während Ihr doch die ganze Zeit wußtet, was auf mich wartete! Wie dumm ich war – zu denken, ich könnte Euch überlisten, wo ich doch eigentlich hätte wissen müssen, daß Ihr mir überlegen seid!«

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