Bruder des Schwertes
der Sonne brannte in ihr. Wie alle Frauen des Südens kleidete sie sich gewagter als die Mädchen von Killorn. Ein durchsichtiges Gewebe fiel von den Hüften bis zu den Knöcheln, ein mit nur wenigen Juwelen bestickter Schleier bedeckte ihre Schultern. Sie benötigte keinen Schmuck.
Sie konnte nicht viel älter sein als er selbst, dachte Kery, wenn überhaupt. Er fing den Blick ihrer großen, dunklen Augen auf und fühlte, wie langsam heiße Röte sein Gesicht überzog. Mühsam riß er sich zusammen und richtete sich auf, während seine blauen Augen wie kalte Flammen brannten.
Neben Sathi saß General Jonan, und außerdem waren noch einige ältere Männer anwesend, die Ratgeber zu sein schienen. Bald sollte sich jedoch herausstellen, daß nur die Königin und der Soldat von Wichtigkeit waren.
Brams Stimme erdröhnte und brach den Frieden der blauen Dämmerung. Trotz seiner riesigen Statur und des feurigen Bartes schien er in der Ehrwürdigkeit des Saales verloren. Er sprach zu laut und stand zu steif da. »Ich danke Euch, Lady. Doch ich bin kein Lord. Ich führe nur diese Gruppe von Männern aus Killorn.« Unbeholfen wies er auf seine Gefährten. »Dies sind Nessa von Dagh und Kery von Broina.«
»Dann setzt euch und seid nochmals willkommen.« Sathis Stimme klang tief und melodisch. Sie bedeutete einem Diener, Wein zu bringen.
»Wir haben von großen Wanderungen im Norden vernommen«, fuhr sie fort, als sie getrunken hatten. »Aber diese Länder sind uns nur wenig bekannt. Was hat euch so weit aus der Heimat geführt?«
Nessa, der stets am raschesten zu antworten vermochte, gab Auskunft. »Eine Hungersnot suchte das Land heim, Majestät. Drei Jahre lang lagen Dürre und Kälte über Killorn. Wir hungerten, und die Hustenkrankheit befiel viele der Unsern. Kein Zauber und kein Opfer vermochten das Unheil zu vertreiben – es schien heftige Stürme zu entfesseln, die das wenige, was wir noch besaßen, vernichteten. Dann war uns das Wetter wieder hold, aber wie es oft geschieht, folgte der Graue Brand den harten Jahren. Er erntete vor uns das Getreide; die Halme verdorrten und zerfielen vor unseren Augen, und die wilden Tiere fielen in Rudeln über unsere schwindenden Herden her. Es gab kaum genug Nahrung für ein Viertel unseres darbenden Volkes. Aus Erfahrung wußten wir, daß der Graue Brand ein Land fünf bis zehn Jahre lang heimsucht und bei jeder Ernte nur ein Drittel des Korns übrigläßt. Dann verschwindet er und kommt nicht wieder. Aber in der Zwischenzeit kann das Land nicht viele Menschen ernähren. Daher beschlossen die Clans, daß die meisten fortziehen mußten und nur wenige das Land in den schlechten Zeiten für uns halten durften. Viele Herzen brachen, Majestät, denn die Hügel und Moore und der See mit dem ewigen Sonnenuntergang sind ein Teil von uns. Wir sind das Volk dieses Landes, und wenn wir sterben, wandern unsere Geister dorthin zurück. Doch wir mußten fortziehen, sollten nicht alle sterben.«
»Ja, weiter!« forderte Jonan ihn ungeduldig auf, als Nessa eine Pause machte.
Bram warf ihm einen zornigen Blick zu und setzte die Erzählung fort: »Vier Gruppen sollten das Land verlassen und ihr Glück versuchen. Fänden sie einen geeigneten Ort, so sollten sie dort bleiben, bis die schlechte Zeit in der Heimat vorüber ist. Ansonsten sollten sie leben, so gut sie es vermochten. Es lag bei den Göttern, Lady, und wir haben uns weit von den Gebieten unserer Götter entfernt. Eine Gruppe wandte sich nach Osten, in die großen Wälder von Norla. Eine bestieg Schiffe und segelte westwärts in die Tagländer, die von unseren Abenteurern bereits ein wenig erforscht waren. Eine folgte der Küste nach Südwesten weit über unsere Grenzen hinaus; wir zogen genau südwärts. Und so wanderten wir fünf Jahre lang.«
»Heimatlos«, flüsterte Sathi, und Kery glaubte ihre Augen vor Tränen glänzen zu sehen.
»Barbarische Räuber!« schnappte Jonan. »Ich weiß von dem Unheil, das sie unterwegs angerichtet haben.«
»Und was hättest du getan«, grollte Bram. Jonan warf ihm einen bösen Blick zu, aber Bram fuhr rasch fort: »Eure Majestät, wir haben nur das genommen, was wir brauchten …«
Und was uns gefiel, dachte Kery.
»… und viele unserer Kämpfe führten wir gegen ehrliche Bezahlung aus. Wir wollen nur einen Platz, an dem wir einige Jahre leben können, Land, das wir als freie Gefolgsleute bebauen dürfen, und wir sind gewillt, das Land, das uns Schutz gewährt, zu verteidigen, solange
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