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Bruder des Schwertes

Bruder des Schwertes

Titel: Bruder des Schwertes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald A. Wollheim
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ihm übrig ist.«
    »Nein«, sagte Jonan bestimmt. Er winkte einer Abteilung seiner Leute. »Bringt den Kerl hinunter in den Kerker des Palasts und gebt ihm etwas zu essen. Ich komme nach.«
    Kery wollte Einspruch erheben, aber Sathi legte eine Hand auf seinen Arm. Er schwieg.
    »Jonan soll sich darum kümmern«, sagte sie mit müder Stimme. »Wir brauchen jetzt alle Ruhe. Oh, ihr Götter! Endlich schlafen.«
    Die Killorner hatten ihre Wagen auf dem großen Forum zusammengezogen – zum Mißfallen der Adeligen und zur Freude der Wirte und der alleinstehenden jungen Frauen, die in der Nähe lebten. Doch hatte Sathi darauf bestanden, daß ihre drei Anführer als Ehrengäste im Palast leben sollten, und diese hatten gegen eigene Gemächer, eine Vielzahl von Dienern und den besten Wein nichts einzuwenden.
    Kery erwachte in seinem Bett, blieb lange Zeit dösend liegen und dachte die wundersamen Gedanken des Halbschlafs. Als er sich erhob, stöhnte er, denn sein Körper war steif von Wunden und den Anstrengungen des Kampfes. Ein Sklave trat ein, rieb seinen Körper mit Öl und brachte ein reichliches Frühstück, worauf Kery sich besser fühlte. Aber dann überkam ihn Unruhe. Er verspürte die Reaktion auf die lange Anspannung. Er bemühte sich, gegen das Elend und die Einsamkeit anzukämpfen, die ihn zu überwältigen drohten. Unglücklich ging er im Gemach auf und ab, warf sich auf den Diwan, sprang wieder auf. Die Wände erschienen ihm wie ein Käfig.
    Die ganze Stadt war ein Käfig, eine Falle. Er war wie ein Tier darin gefangen und würde nie wieder die Moore von Killorn schauen. Wie ein Messerstich drang die Erinnerung an eine Jagd auf der Heide in sein Gedächtnis. Mit Speer und Bogen und nur in Begleitung eines struppigen, halbwilden Cynors, der um seine Fersen sprang, hatte er irgendwo jenseits des kleinen Dorfes Rotwild nachgestellt. Lang waren sie umhergestreift, er und sein Tier, bis sie sich weit von jeder Menschenseele entfernt hatten und nur vom Grau, Purpur und Gold der Moore umgeben waren.
    Der Teppich unter seinen Füßen schien zum elastischen, nachgiebigen Moos von Killorn zu werden. Es war ihm, als röche er dessen scharfen, wilden Geruch und spürte, wie das Grün seine Knöchel streifte. Das Wetter war grau und windig; Wolken flogen vor einem aufkommenden Sturm aus dem Westen. Regen lag in der Luft, und hoch über ihm zog ein Raubvogel seine Kreise. O ihr mächtigen Götter, wie der Wind gesungen und geheult und seinen Körper mit heftigen Stößen fast durchdrungen hatte! Wie er in den Tälern wirbelte und unter dem dunkelnden Himmel brüllte! Über einen langen, felsigen Abhang war er in eine bewaldete Schlucht gelangt. Ein Wasserfall rauschte weiß neben dem Pfad. In einer Höhle hatte er sich auf weiches Moos gelegt und dem Wind, dem Regen und den kristallenen Klängen des Wasserfalls gelauscht. Und als sich das Wetter aufklärte, war er aufgestanden und heimgekehrt. Er hatte keine Beute gemacht, aber bei Morna von Dagh, es hatte ihm mehr bedeutet als alle darauffolgenden Siege!
    Er nahm die Pfeife der Götter zur Hand, die neben seiner Rüstung lag, und wandte sie in seinen Händen hin und her. Sie war vom Alter geschwärzt. Die Pfeife bestand aus eisenhartem Holz und der Sack aus einem Leder, das man nicht mehr kannte. Ungezählte Generationen von Broinas hatten sie abgenützt. Vor hundert Jahren hatte sie die Legionen der Südmänner zerstreut, die gekommen waren, um das Land zu erobern. Sie hatte die räuberischen Wilden aus Norla überwunden und war mit dem einäugigen Alrigh gezogen und hatte die Mauern einer Stadt zusammenstürzen lassen. Und auf dem letzten endlosen Zug hatte sie mehr als einmal die Männer von Killorn gerettet.
    Nun war sie tot. Der Pfeifer von Killorn war gefallen und mit ihm das Geheimnis untergegangen. Und das Volk, das unter ihrem Schutz gestanden hatte – eingesperrt wie Tiere, um vor Hunger und an der Pest in einem fremden Land zu sterben. O Rhiach! Rhiach, mein Vater, kehre von den Toten zurück! Kehre zurück und setze die Pfeife an deine kalten Lippen und spiele die Kriegsweise von Killorn!
    Zum hundertsten Mal blies Kery hinein, und nur ein hohles Zischen erklang im Bauch des Instruments. Nicht einmal eine einfache Melodie, dachte er erbittert.
    Er hielt es im Innern des Gebäudes nicht länger aus; er mußte freien Himmel über sich haben, oder er wurde verrückt. Er warf sich die Pfeife über die Schulter, verließ das Gemach und gelangte über viele Stiegen

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