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Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Titel: Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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Horizontal mit erhobenem Kopf – erhalten hatte, das alte Bootshaus am Deutschherrnufer kurz vor Offenbach. Sie ließ es aufwendig renovieren, legte die Fachwerkfassade frei, schaffte helle freundliche Zimmer mit Blick auf den Main, eine Sauna, mehrere kleine, mit Mosaikfliesen gekachelte Planschbecken und im Erdgeschoss eine gemütliche Bar mit Ledersesseln und silbernem Tresen. Über die Terrasse spannte sie Drähte, pflanzte Kletterrosen daran und stellte links und rechts zwei extra aus Ungarn angelieferte alte Straßenlaternen auf. Bei entsprechenden Temperaturen konnten sich die Huren zum Vergnügen der Kunden dagegenlehnen. Dazu ein malerischer Holzsteg in den Fluss hinaus, im Frühling duftende Fliederbüsche, Weidenbäume am Ufer, deren Zweige durchs Wasser glitten, und als Hintergrundmusik aus der Bar ausschließlich Klavier: Keith Jarrett, Ahmed Jamal, Mendelssohn, Mozart. Darauf achtete Tugba streng, Klavier war ihre Leidenschaft, sie spielte selber, und ganz aus war ihr Traum von einer Pianistinnenkarriere wohl nicht. Alles in allem: Gäbe es im Michelin-Führer eine Rubrik für Bordelle, besäße das ›Mister Happy‹ drei Sterne.
    Octavian sah mich an dem Abend auf dem Steg auf einer Bank sitzen und Zeitung lesen und sagte sich, dass so wohl kein Freier seine Zeit im Bordell verbringt. Er kam von der Terrasse herunter, grüßte und fragte, ob er sich zu mir setzen dürfe, und ich dachte: Mann, sieht der aus wie ’n Bulle.
    Er fragte mich ein bisschen aus, so von Freier zu Freier, wie der Laden sei, der Service, die »Girls« – er sagte tatsächlich »Girls«, und ich dachte, Bulle vom Dorf –, ehe er wissen wollte, ob ich im ›Mister Happy‹ arbeitete.
    »Sie meinen, ob hier auch Kerle im Angebot sind?«
    »Nein, nein…« Octavians Kartoffelgerichtwangen liefen, soweit ich das im Abendlicht erkennen konnte, rot an, und ich dachte, schwuler Bulle vom Dorf – alles Gute in Frankfurt!
    »Ich hab gehört… Also, unter uns, ich steh auf junge Mädchen, am liebsten Russinnen, und da dachte ich, falls Sie hier arbeiten, als Betreuer und für die Sicherheit zuständig, verstehen Sie? Also, ob Sie vielleicht wissen, ob hier so was in der Richtung… na ja, zu kriegen ist. Ich bin zum ersten Mal hier.«
    Nun schaute ich ihn mir doch mal genauer an. Er spielte das verschämte Landei ziemlich gut. Vielleicht doch kein Polizist? Aber ich war kein Krimineller, und ich kannte eine Menge cleverer Polizisten.
    Ich legte die Zeitung beiseite. »Zeigen Sie mir doch erst mal Ihre Marke, und dann gucken wir, was ich für Sie tun kann.«
    »Meine Marke?«
    »Na, oder Ihren Ausweis – irgendwas, damit ich sicher sein kann, dass meine Informationen auch in die Hände von Recht und Gesetz gelangen und nicht in die eines listigen Kinderfickers, der mir vorzumachen versucht, er sei verdeckter Ermittler.«
    »Hä?« Octavian verzog genervt das Gesicht. Er gab sich augenblicklich keine Mühe mehr, das Landei war wie weggewischt. »Was ist denn das für ’ne verdrehte Nummer?«
    Nachher erfuhr ich, dass er einen langen Tag in schmutzigen, stinkenden, mit Teenypop beschallten Bordellen und Stripteasebars hinter sich hatte, das ›Mister Happy‹ , von dem er wusste, dass es ein korrekt geführter Laden war, nur noch schnell abhaken wollte, um dann endlich ein Bier an einem Ort zu trinken, wo er nicht dauernd auf nackte Brüste gucken musste. Ein Klugscheißer hatte ihm an dem Abend gerade noch gefehlt.
    Schlecht gelaunt fragte er: »Bist du einer von uns, oder was soll der Quatsch?«
    »Kemal Kayankaya, Privatdetektiv. Eine Freundin von mir arbeitet hier, aber ich bin nicht ihr Zuhälter. Im ›Mister Happy‹ sind Zuhälter verboten.«
    Er zögerte kurz, dann erwiderte er: »Octavian Tatarescu, Sittendezernat. Kriegt man hier ein Bier zum einigermaßen normalen Preis?«
    »Wenn ich es uns hole. Jever, Tegernseer Spezial oder so ein belgisches mit Champagnerkorken, ist aber teurer?«
    »Spielen die hier vielleicht auch Golf?«
    Ich holte uns zwei Tegernseer, und dann noch zwei, und dann vier und so weiter. Es wurde ein richtig schöner Abend. Die Sonne ging im Main unter, das Abendrot glühte in den verspiegelten Hochhausfassaden wider, Wasser plätscherte um uns herum, von der Bar klangen ein langsames Jazzklavier und ein Kontrabass herüber, und wir unterhielten uns über Frankfurt und die Lebenswege, die uns hierhergeführt hatten. Dabei gerieten wir, ein Rumäne und ein Türke, dann in eine Art Heimatrausch: Der

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