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Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Titel: Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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Tag gedauert, bis Scheich Hakim von meiner Aussage bei der Polizei unterrichtet worden war. Ich nahm mir vor, Octavian bei Gelegenheit zu sagen, dass er nicht nur »eine Menge Leute kannte, die eine heile Haut der Bestrafung eines Verbrechers vorzogen«, sondern auch mindestens einen im Polizeipräsidium, der eine Stange Geld, eine Tüte Heroin, freien Bordellbesuch oder sonst irgendwas im Bereich von Hakims oder Abakays Möglichkeiten »der Bestrafung eines Verbrechers vorzog«. Ich glaubte fest, dass Octavian nicht wusste, wer der- oder vielleicht diejenige war, der oder die Scheich Hakim auf dem Laufenden hielt. Nicht ganz so fest glaubte ich, dass er alles dransetzen würde, ihn oder sie als Spitzel zu enttarnen. Es kam wohl darauf an, auf welcher Höhe er oder sie sich in der Präsidiumspyramide befand. Als Octavian mich am Tag zuvor nach meiner Aussage zum Ausgang gebracht hatte, waren seine leisen Abschiedsworte gewesen: »Du machst das hier auf eigene Gefahr, das ist dir hoffentlich klar. Wenn alles vorbei ist, können wir uns wieder sehen, aber bis dahin lieber nicht. In den nächsten Wochen entscheidet sich, ob ich befördert werde.«
    »Weißt du was, Octavian? Dann sehen wir uns am besten gar nicht mehr.«
    »Ach, komm mir nicht so! Ich würde ’nen Tausender mehr im Monat kriegen, und ich habe Verwandtschaft in Rumänien, die ich unterstützen muss.«
    »Wer hat die nicht«, sagte ich.
    »Du hast die nicht«, erwiderte er kühl.
    »Ich hab die Mädchen in Abakays Katalog gesehen, das ist meine rumänische Verwandtschaft.«
    »Werd nicht kitschig.«
    »Dass mir schlecht wird, wenn Dreizehnjährige zum Ficken angeboten werden, ist kitschig? Dass ich den Typ, der sie anbietet, festnageln will? Du warst zu lange bei der Sitte, Octavian, das verdirbt.« Und damit wandten wir uns grußlos voneinander ab und gingen davon.
    Donnerstag versuchte Valerie de Chavannes, mich auf dem Handy zu erreichen. Ich saß bei Deborah in der Weinstube, aß Kuttelwurst, trank Rotwein, las den Sportteil und drückte beim ersten Anruf das Klingeln weg. Auch beim zweiten, dann kam eine SMS : Bitte sobald wie möglich zurückrufen! Dringend! Gefahr! Ich aß die Wurst auf, trank mein Glas leer, ging in den kleinen Hof hinter der Weinstube und rief zurück.
    Valerie de Chavannes nahm sofort ab.
    »Herr Kayankaya! Endlich!« Ihre Stimme zitterte und klang nasal, als habe sie geweint. Zwischendurch hörte ich wieder ihr schweres, um Luft ringendes Atmen.
    »Was gibt’s, Frau de Chavannes?«
    »Vorhin hat ein Mann namens Methat angerufen! Ob ich einen Privatdetektiv auf Abakay angesetzt hätte!«
    »Und was haben Sie geantwortet?«
    »Wie Sie’s mir aufgetragen haben: dass ich nicht wüsste, wovon er spreche.«
    »Hat er’s geglaubt?«
    »Keine Ahnung. Er hat mir gedroht!« Sie rang nach Luft. »Er hat gesagt, falls ich Sie doch engagiert hätte, sollte ich Sie schleunigst davon überzeugen, dass Sie Ihre Aussage gegen Abakay zurückziehen, sonst sei das Leben meiner Tochter in Gefahr!«
    Vielleicht lag es daran, dass ich mir den Satz aus Methats Mund vorstellte: Lebbe in Gefah – jedenfalls nahm ich die Drohung nicht so ernst, wie ich es gegenüber Valerie de Chavannes wohl hätte tun sollen. Ich sagte: »Ach ja?«
    »Was heißt hier: ach ja?! Ich habe Ihnen prophezeit, dass Abakay auch im Gefängnis gefährlich bleibt!«
    »Nun, da müssen Sie sich entscheiden: Entweder Sie wollen ihn im Gefängnis oder draußen.«
    »Sie wissen genau, wo ich ihn haben will!«
    Sie rief es aus tiefstem Herzen, wütend, nachtragend von wegen: Ich hab Ihnen doch gesagt, Sie sollen ihn umlegen!
    »Immer langsam. Wir sprechen hier am Telefon, das kann abgehört werden – immerhin bin ich Zeuge in einem Mordfall –, darum drücken Sie sich bitte nicht missverständlich aus. Ich weiß natürlich, dass Sie ihn im Gefängnis haben wollen…«
    Pause, schweres Atmen.
    Ich glaubte nicht wirklich, dass die Polizei mich oder Valerie de Chavannes abhörte, aber bei dem Gedanken an einen Telefonmitschnitt – Sie wissen genau, wo ich ihn haben will! – wurde mir für einen Augenblick doch ziemlich flau im Magen.
    Nach einer Weile sagte sie einigermaßen beherrscht: »Und wie geht’s jetzt weiter? Was machen wir?«
    »Na ja, wir, Frau de Chavannes, machen gar nichts. Erinnern Sie sich? Sie haben mich beauftragt, Ihre Tochter nach Hause zu bringen.«
    »Ach, und nun ziehen Sie sich feige aus der Affäre!«
    »Sie können mich gerne fragen, ob ich für Sie

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