Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)
nicht recht, wenn Sie der Einzige in Jeans und Cordjacke wären.«
»Danke für den Hinweis. Ist blauer Nadelstreifen okay?« Ich dachte an Slibulsky, der blaue Nadelstreifenanzüge mal als Kanackenkutte bezeichnet hatte. Aber Katja Lipschitz war diese Assoziation offenbar fremd.
»Wunderbar«, sagte sie erfreut. Dann wurde ihr Ton plötzlich leicht gequält. »Dabei möchte ich Sie noch auf einen Umstand hinweisen, der, nun ja, also für Leute, die ihn nicht kennen und sozusagen branchenfremd sind, überraschend sein kann. Also, ähm… Herr Doktor Breitel trägt gerne kurze Hosen – auch am Abend und überhaupt, meine ich…«
»Ach ja? Auch im Winter?«
»Mit Kniestrümpfen.«
»Na, ein Glück, dass Sie mir meine Cordjacke ausgeredet haben. Das wäre ja ein Fauxpas geworden!«
»Äh, ja…«
»Möchten Sie vielleicht, dass ich auch kurze Hosen trage?«
»Um Gottes willen, nein – das ist Herrn Doktor Breitels Vorrecht, sozusagen. Sein ganz eigenes Kennzeichen, verstehen Sie?«
»Verstehe. Darf man ihm Komplimente machen? Zum Stoff, zum Schnitt, vielleicht zu den Beinen?«
»Nein, nein, bloß nicht. Sie bemerken das gar nicht.«
»Okay.«
»Herr Doktor Breitel ist…«, es war mir sympathisch, wie sie sich offenbar überwinden musste, »…sehr wichtig. Wenn man Bücher verkaufen will, meine ich.«
»Schon klar, Frau Lipschitz. Machen Sie sich keine Sorgen, ich werde mich nicht auffällig benehmen.«
»Vielen Dank, Herr Kayankaya. Es ist manchmal nicht ganz einfach…« Sie suchte nach Worten.
Ich sagte: »Genau so ist es.«
»Ja. Na ja. Jedenfalls: Mit dem unterschriebenen Vertrag schicke ich Ihnen auch die Tagespläne und einen Buchmesseausweis.«
»Und die Drohbriefe.«
»Ach ja, die Drohbriefe. Selbstverständlich.«
»Dann also bis Freitag nächste Woche.«
»Bis Freitag nächste Woche, Herr Kayankaya.«
9
Ende der Woche ging der Vorschuss auf meinem Konto ein, und ich erhielt mit der Post den unterschriebenen Vertrag, Rashids Tagespläne für seinen Aufenthalt in Frankfurt und einen Buchmesseausweis. Keine Drohbriefe. Entweder es handelte sich bei ihnen um reine Erfindung oder um alberne Beschimpfungen, jedenfalls nichts, was Katja Lipschitz mir zeigen konnte oder wollte. Und im Grunde war es ja auch egal. Für Werbezwecke bekam Rashid einen Leibwächter zur Seite. Ein Gregory-Job. So lange der Maier Verlag zahlte.
Am Montag besuchte ich das Hotel Harmonia. Die typische Mittelklasse-Absteige: abgetretener Teppichboden, bunte, billige Sofas, Halogenlämpchen, eine Bar mit Bier, Schnaps, Käsecrackern, an der Wand eine Sammlung Autogrammkarten von mehr oder weniger Prominenten, die mal im ›Harmonia‹ übernachtet hatten. Ich bekam einen schlechten Espresso und ließ mir Hinter- und Notausgänge zeigen. »Wegen meinem Vater. Womöglich wird er nächsten Monat ein paar Tage bei Ihnen wohnen, und er hat große Angst vor Feuer.«
Dienstag sagte ich bei der Polizei offiziell im Fall Abakay aus.
Mittwoch erhielt ich im Büro einen Anruf von einem Mann namens Methat, der sich als Scheich Hakims Sekretär ausgab. Anfangs redete er türkisch, bis er mir einen Augenblick Zeit ließ, ihm zu erklären, dass ich kein Türkisch gelernt hatte. Nach einer ungläubigen Pause, einem türkischen – so hörte es sich jedenfalls an – Fluch und ein paar verächtlichen Schmatzlauten fuhr er schließlich auf Deutsch fort. Er sprach starken hessischen Dialekt, und ich musste dreimal nachfragen, bis ich verstand, dass seine Herrlichkeit mich zu sehen wünsche.
»Wer will mich sehen?«
»Sei Hellischkeit.«
»Helligkeit?«
»Heelliischkeit!«
»Tut mir leid. Heilig, Höllig?«
»Hellisch! Wie hellische Aussischt! Mensch!«
»Ah. Seine Herrlichkeit.«
»Jetz tu bloß net so, du…!«
»Wer ist seine Herrlichkeit?«
»Isch hab doch gesacht, isch bin dä Sekrätär vom Scheisch Hakim!«
»Okay. Dann richten Sie Scheich Hakim doch bitte aus, wenn er mich sehen will, soll er telefonisch oder per E-Mail – meine Adresse steht im Branchenverzeichnis – einen Termin mit mir abmachen. Ich bin zurzeit viel unterwegs und nur selten im Büro.«
»Du bist wohl net ganz discht?!«
Langsam ging er mir auf den Wecker. »Isch bin suppä discht, Aldä. Awwer isch hab zu schaffe! Also: Termin ausmachen und mir bei der Gelegenheit sagen, um was es eigentlich geht. Jetzt muss ich arbeiten und leider auflegen.«
Ehe er mich weiter beschimpfen konnte, schaltete ich die Verbindung ab.
Es hatte also nur einen
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