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Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Titel: Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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mal kurz guten Tag sagen, und begann eine Runde über den Stand, um die Verlagsmitarbeiter zu begrüßen; die weiblichen mit Umarmung und Küsschen rechts, Küsschen links, die männlichen mit kräftigem Handschlag. »Tolles Buch, Malik!« – »Ungeheuer berührend!« – »Ganz wichtiger Text.« – »Mein Favorit dieses Jahr.«
    Während Katja Lipschitz sich abwandte, um zu telefonieren, sah ich mich nach Möglichkeiten um, notfalls mit Rashid in Deckung zu gehen. Vor uns der Gang mit dem ständigen, gleichmäßigen Strom von Buchmessebesuchern, rechts die Tische des Maier Verlags, an denen Verlagsmitarbeiter mit Geschäftspartnern Verkaufszahlen, Buchmarktentwicklungen, Personalien, gemeinsame Veranstaltungen und den jüngsten Buchmesseklatsch besprachen – »Gretchen Love!« – »Nächste Woche soll sie auf der Sachbuchbestsellerliste sein.« – »Ein Wahnsinn!« – »Ein Skandal!« –, und gleich links neben uns die Stellwand zum Nachbarverlag. Daran Rashids Werberegal mit ungefähr dreihundert Exemplaren seines Romans, dem groß ausgedruckten Le-Monde -Zitat und einem Foto, auf dem Rashid den Kopf in drei Finger stützte und so amüsiert und überlegen guckte wie bei meinem Eintreffen in der ›Harmonia‹-Lounge.
    Blieb als mögliche Deckung nur die Verpflegungskammer. Bis wir allerdings die Schiebetür hinter uns auf- und zugekriegt und uns zwischen Brötchentabletts und Wasserkästen geschmissen hätten, wäre ein halbwegs entschlossener Attentäter mit einem vom nächsten Pizzawagen entwendeten Messer längst mit Rashid fertig und wieder im Besuchergewühl untergetaucht gewesen.
    Neben der Abendgarderobe befanden sich in meiner Tasche noch ein Baseballschläger, Pfefferspray und Handschellen. Ich zog den Reißverschluss auf und legte den Griff des Baseballschlägers so auf die Taschenkante, dass ich ihn möglichst schnell zu fassen bekam. Außerdem nahm ich meine Pistole aus dem Rückenholster und schob sie in die rechte Seitentasche meiner Cordjacke. Niemand würde die Waffe sehen, und ich konnte durch die Jacke schießen.
    »Sie werden damit hoffentlich vorsichtig sein.« Katja Lipschitz trat vor mich und deutete auf meine Jackentasche. »Ich habe Sie beobachtet. Ich meine, es gibt auch überschwengliche Fans, die wollen Malik vielleicht umarmen…«
    »Tja, da haben sie Pech gehabt. Ich knall ganz gerne ’n bisschen rum, wissen Sie. Gerade hier am Besuchergang, irgendwen erwischt man da immer. Übrigens: Haben Sie die Drohbriefe dabei?«
    Wir sahen uns an.
    Nach einer Pause fragte Katja Lipschitz: »Haben Sie eigentlich eine Frau?«
    »Sie meinen, ob ich schwul bin?«
    »Nein, ich meine, ob jemand mit Ihnen zusammenlebt?«
    »Sie werden staunen: seit über zehn Jahren in festen Händen, gemeinsame Wohnung, keine Affären, jedenfalls, was mich betrifft – darum bin ich ja so ausgeglichen, leicht genießbar, ein Mann umhüllt von weiblicher Nestwärme. Tut mir leid, falls Sie Interesse hatten.«
    Katja Lipschitz lachte kurz auf.
    »Was ist jetzt mit den Drohbriefen?«
    »Würden die Briefe an Ihrer Vorgehensweise irgendwas ändern?«
    »Ja. Ich würde wissen, ob ich mich auf die Informationen meiner Auftraggeberin verlassen kann.«
    Wieder machte sie eine Pause. Von einem der Nebentische des Maier Verlags hörte ich: »Hier, die SMS : Platz 1!« – »Ich fass es nicht!« – »Also ehrlich gesagt, ich hätte nichts dagegen, auch mal so eine Gretchen Love im Programm zu haben, kann man doch als Kunst verkaufen.« – » Spermaboarding als Kunst? Ich weiß nicht.« – »Das ist der Titel? Spermaboarding? « – »Ja, und noch irgendwas dazu.«
    Schließlich sagte Katja Lipschitz: »Malik hat vor ein paar Wochen erzählt, er habe solche Briefe bekommen. Leider hat er sie bisher nicht mitgebracht. Ich habe ihn mehrere Male darum gebeten.« Sie betrachtete mich herausfordernd. »Zufrieden?«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Ist mir völlig egal, was Ihr Leute anstellt, um den Buchverkauf anzukurbeln. Aber es gehört nun mal zu meinem Job, einigermaßen genau einzuschätzen, wie groß die Gefahr ist, in der sich die zu schützende Person und ich befinden. Nun gehe ich noch mehr davon aus, dass wir einen eher ruhigen Nachmittag verbringen werden.«
    Es kostete sie einen Augenblick Überwindung, dann sagte sie: »Schön, dass Sie das so entspannt sehen. Tut mir leid, die Arbeit mit Autoren…«, sie zögerte, »…na ja, ist nicht immer frei von Eigenheiten, Überraschungen – verstehen Sie?«
    »Klar

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