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Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Titel: Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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Kayankaya, ich verstehe, dass Sie auf Grund Ihrer Arbeit und Ihrer Erfahrung einer solchen Situation gelassener begegnen als wir. Aber vergessen Sie bitte nicht: Malik Rashid ist Schriftsteller, seine Welt ist der Schreibtisch. Dass nun ein literarischer Text – noch dazu ausgerechnet einer, mit dem Malik offen für mehr Toleranz und gegen jede Form von Ausgrenzung und Unterdrückung eintritt –, dass also ausgerechnet ein Text, der die Welt besser und friedlicher machen will, dazu geführt hat, dass Malik um seine körperliche Unversehrtheit, wenn nicht gar sein Leben fürchten muss, ist ein Schock, der bei uns allen im Verlag, aber natürlich ganz besonders bei Malik anhält und bestimmt noch lange anhalten wird. Für ein wenig Sensibilität im Umgang damit wären wir Ihnen sehr dankbar.«
    Ehe ich nicken und so was wie »Tut mir leid« sagen konnte, tönte es zornig hinter dem Schaum hervor: »Das ist Quatsch, Katja! Ich will nicht die Welt besser machen, sondern, wenn überhaupt irgendetwas, dann die Literatur! Sag doch gleich: die Welt verändern! Dann habt ihr euren netten, kleinen UNESCO -Schreiberling! Und ab damit in die Taschenbuchreihe ›Afrika erzählt‹!«
    Katja Lipschitz war erstarrt. Ich kratzte mich am Kinn und überlegte, was ich nun möglichst Sensibles anstellen könnte. Rashid ließ den Becher sinken und feuerte wutentbrannte, verächtliche Blicke auf mich ab: »Und du solltest gefälligst mein Buch lesen! Arbeitest hier für mich und hast keine Ahnung! Mit eurer verwöhnten Mini-Mozzarella-Welt hat mein Roman jedenfalls nichts zu tun!«
    »Gut, dass Sie das sagen, Herr Rashid. Ich hatte vorhin doch einen Augenblick die Sorge… Na ja, weil Sie sich mit First-Class-Hotels so gut auskennen, und wenn ich mich recht erinnere, ist Ihre Hauptfigur, na ja, sexuell unentschieden – und da kam mir kurz der Gedanke, ob Ihr Roman vielleicht im Flugbegleitermilieu oder im Bereich der Innenausstattung… Verstehen Sie? Die Richtung. Aber wissen Sie«, fuhr ich schnell fort, ehe er seinen Cappuccinobecher nach mir werfen konnte, »ich bin Leibwächter. Ich habe nicht studiert, und meine Lektüre, muss ich zu meiner Schande gestehen, beschränkt sich schon seit viel zu langem auf das tägliche Fernsehprogramm. Darum bin ich froh, nun von Ihnen einen so persönlichen Anstoß erhalten zu haben. Gleich nachher werde ich mir Ihr Buch vornehmen, und ich bin ungeheuer gespannt. Allerdings…«
    Ich hielt inne. Beide starrten mich an, die Münder leicht geöffnet, als ob sie einer Zirkusakrobatik beiwohnten. Würde ich mir gleich das Genick brechen? Würden sie es mir brechen?
    »Na ja, weil ich mich doch in den nächsten Tagen meistens in Ihrer Nähe aufhalten werde, da frage ich mich, ob es Ihnen vielleicht unangenehm wäre, wenn ich da immer Ihr Buch bei mir trage? Ich meine, womöglich kommen die Leute auf die Idee, als Ihr Leibwächter müsse ich das, sei sozusagen…«, ich lachte kurz auf, »…dazu verdonnert. Darum: Ich kann’s auch einfach in der Nacht lesen. Bis Sonntag krieg ich das durch, und dann würde ich mich wahnsinnig gerne mit Ihnen darüber unterhalten. Wann hat man schon mal die Chance, mit einem Autor persönlich über sein Werk zu sprechen?«
    Rashid starrte mich noch einen Moment lang fassungslos an, dann sah er vor sich auf den schwarzen Plastiktisch und sagte in einem Ton, als überkäme ihn plötzlich große Müdigkeit: »Ich muss jetzt auf die Toilette. Und dann, denke ich, ist es das Beste, wir fahren zur Messe.«
    »Eine Sache würde ich gerne noch klarstellen, Herr Rashid…«
    Rashid stand vom Sofa auf und fragte, von mir abgewandt: »Und die wäre?«
    Ich bemerkte, wie Katja Lipschitz’ Finger sich in die Sessellehnen krallten.
    »Ich schätze es sehr und nehme es als großes Kompliment, dass Sie mich duzen und mir gleich eine persönliche Beziehung anbieten. Ich habe nur über viele Jahre die Erfahrung gemacht, dass ein zu vertrauter Kontakt mit der zu schützenden Person zu Unaufmerksamkeiten bei der Arbeit führen kann. Darum habe ich mir ein paar Regeln aufgestellt, eine davon ist, die zu schützende Person bis zum Ende des Auftrags zu siezen. Danach…«, ich lächelte Rashids Hinterkopf an, »…würde ich Ihr Du wahnsinnig gerne erwidern.«
    Rashid warf mir über die Schulter einen kurzen, ausdruckslosen Blick zu. »Von mir aus.« Und ging langsam, fast schleppend Richtung Toilette.
    Ich überlegte, ob ich ihn begleiten sollte, beschloss dann aber, dass meine Arbeit

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