Bruderkampf
bei seinem einsamen Frühstück herumgetrödelt und über die merkwürdige Dinnerparty und Sir Robert Napiers beharrliche Fragen nachgegrübelt, als Fähnrich Maynard die Meldung brachte. Während Bolitho hastig seine beste Uniform anlegte, fragte er sich, warum Sir Robert die Zusammenkunft beim Oberbefehlshaber gestern nicht erwähnt hatte. Er mußte doch schon davon gewußt haben. Und indem er blicklos in den Spiegel am Schott starrte, fragte er sich, ob Sir Robert nur wieder eine seiner privaten Prüfungen veranstaltete.
Wahrscheinlich hielt er sein Glas auf die Phalarope gerichtet, seit die Formidable das Signal gesetzt hatte.
Er prallte beinahe auf den Fähnrich und sah, daß sie die große Kajüte erreicht hatten. Der Fähnrich meldete: »Kapitän Richard Bolitho von der Phalarope.« Doch nur die zunächststehenden Offiziere nahmen von seinem Eintritt Notiz. Bolitho war das nur recht. Er drängte sich zu einer Ecke der Kajüte durch, und während eine Messeordonnanz wortlos seinen Hut in Empfang nahm, reichte ihm eine andere ebenso stumm ein großes Glas Sherry.
Bolitho trank einen kleinen Schluck und musterte aufmerksam die anderen Offiziere. Etwa dreißig Kapitäne jeden Dienstalters, ältere und jüngere, große und kleine, dicke und dünne. Nach diesem ersten Überblick schien er der Jüngste zu sein. Doch er war kaum zu diesem Schluß gekommen, da stieß ihn jemand leicht an. Er drehte sich um und erblickte den hochgewachsenen Leutnant, der die kleine Brigg Witch of Looe kommandierte.
Der Leutnant hob das Glas. »Ihr Wohl, Sir! Ich möchte Ihnen sagen, wie sehr ich mich über Ihre Rückkehr freue.«
Bolitho lächelte. »Vielen Dank. Bitte entschuldigen Sie, aber Ihr Name ist mir entfallen.«
»Philip Dancer, Sir.«
»Von nun an werde ich ihn mir merken.«
Der Leutnant lockerte nervös seine Halsbinde. Kein Wunder, wenn er als Jüngerer in einer so illusteren Gesellschaft nervös wurde.
»Im Vergleich mit Ihrer kleinen Brigg kommt es Ihnen hier sicher ein bißchen luxuriös vor?«
Dancer schnitt eine Grimasse. »Nur ein bißchen.«
Sie blickten zu den großen Heckfenstern hin, vor denen eine breite Galerie lief, auf der der Amiral über dem Kielwasser seines Schiffes ungestört hin und her wandern konnte. Bolitho sah Pflanzen in langen Blumenkästen, Silber und Kristall schimmerten auf einer hübschen Anrichte unter einem Gemälde von Hampton Court Palace. Plötzlich verstummten alle Gespräche, und jeder wandte sich einer Seitentür zu, durch die der Oberbefehlshaber mit seinem Gefolge die Kajüte betrat.
Bolitho hatte Sir George Rodney das letzte Mal vor zwei Jahren gesehen. Er erschrak über sein verändertes Aussehen.
Trotz der strahlenden Uniform mit dem leuchtenden Band und den Auszeichnungen wirkte er gebeugt und zusammengesunken, und sein Mund, nunmehr ein schmaler Strich, verriet die Krankheit, die ihn seit vielen Monaten plagte. Nur schwer erkannte man in ihm den Mann wieder, der vor zwei Jahren einen machtvollen Feind überwunden und das belagerte Gibraltar entsetzt hatte, oder den, der St. Eustatius angegriffen, erstürmt und als Beute drei Millionen Pfund Sterling nach England zurückgebracht hatte. Doch die Augen waren dieselben: hart und fest, als hätten sie alle Energie an sich gezogen.
Neben ihm, als scharfer Kontrast, der zweite im Kommando: Sir Samuel Hood wirkte gelassen, während seine Blicke über die versammelten Offiziere glitten. Eine große arrogante Nase und eine hohe Stirn beherrschten das Gesicht. Neben seinen beiden Vorgesetzten sah Sir Robert Napier beinahe unbedeutend aus.
Sir George Rodney ließ sich in einen Sessel sinken und faltete die Hände im Schoß. Dann sagte er kurz: »Ich habe Sie hergebeten, um Ihnen mitzuteilen, daß nach allen Informationen die Franzosen und ihre Verbündeten versuchen wollen, die englischen Verbände im hiesigen Gebiet endgültig auszuschalten.
« Er hustete und betupfte sich den Mund mit einem Taschentuch. »Graf de Grasse hat eine große Zahl Linienschiffe zusammengezogen, die stärksten Schiffe, die sich jemals unter einer Flagge versammelten. Wäre ich in seiner glücklichen Lage, würde ich nicht zögern, mich auf die Schlacht vorzubereiten. «
Er hustete wieder, und leichte Unruhe ergriff die Offiziere.
Die Überbeanspruchung während all der Jahre des Planens und Kämpfern wühlte in Sir Rodney wie eine Messerklinge. Als er nach England segelte, glaubte jeder Offizier der westindischen Flotte, daß es seine letzte
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