Bruderkampf
spleißten und waren mit laufenden Ausbesserungen beschäftigt: eine friedliche Szene.
Durch Wärme und gutes Frühstück fühlte sich Herrick schläfrig und zufrieden. Gelegentlich warf er einen Blick zu Fähnrich Neale hinüber, um sich zu vergewissern, daß er das Glas auf das ferne Flaggschiff gerichtet hatte. Die Phalarope hielt so gut Position, wie der Wind es zuließ.
Er bemerkte, daß Leutnant Okes mit Brock die Zwölfpfünder der Steuerbordbatterie inspizierte, und fragte sich nicht zum ersten Mal, was hinter Okes' verkrampften Zügen vorging. Seit dem Angriff auf die Insel Mola war Okes ein anderer. Und seit der beiläufigen Bemerkung des Admirals bei dem abendlichen Essen hatte er sich noch mehr in sich selbst zurückgezogen.
Auch hinter Farquhars Gedanken konnte er nicht kommen.
Herrick war nicht sicher, ob er die Zurückhaltung des Fähnrichs verabscheute oder bewunderte. Merkwürdig, wie Farquhars Haltung stets Minderwertigkeitskomplexe in ihm weckte, vielleicht wegen seiner eigenen einfachen Herkunft. Selbst hier auf der kleinen Fregatte, wo sie dicht aufeinanderhockten, hielt Farquhar Distanz. Herrick versuchte sich vorzustellen, was er empfunden hätte, wenn Okes, wie Rennie angedeutet hatte, ohne an die anderen zu denken den Rückzug befohlen, ihn zurückgelassen und dem Tode preisgegeben hätte. Er malte sich aus, daß er genau wie Farquhar reagieren würde, wußte jedoch, daß er sich selber etwas vormachte. Wahrscheinlich wäre es zu einem offenen Konflikt und zu einer Verhandlung vor dem Kriegsgericht gekommen.
Der Rudergänger hüstelte warnend, und Herrick drehte sich schnell um, als Bolitho den Niedergang heraufkam. Er führte die Hand an den Hut und wartete, während Bolitho erst an den Kompaß trat und dann zum Wimpel am Masttopp hinaufschaute. Er entspannte sich, als Bolitho neben ihn trat und auf die arbeitenden Seeleute hinabblickte.
»Noch fünfzig Meilen bis zu unserer P atrouillenposition, Mr.
Herrick. Bei dieser Geschwindigkeit brauchen wir dafür einen Tag.« Es klang ungeduldig und leicht gereizt. Herrick kannte jetzt die Anzeichen.
»Immerhin ist es tröstlich, daß die Cassius querab liegt, Sir.
Falls de Grasse hier aufkreuzt, sind wir nicht allein.«
Bolithos Blicke wanderten zu den schimmernden fernen Segeln hinüber. »Ach ja, das Flaggschiff.« Er lächelte bitter.
»Vierzig Jahre hat sie auf dem Buckel und so viel Muscheln und Bewuchs am Rumpf, daß sie sogar bei starkem Sturm nur kriecht.«
Herrick blickte hastig zur Cassius hinüber. Größe und Überlegenheit hatten für ihn bis zu diesem Moment Sicherheit bedeutet, ein Schutzschild sozusagen. Er erwiderte: »Das wußte ich nicht, Sir.«
»Die Cassius ist eine holländische Prise, Mr. Herrick.
Beachten Sie die Neigung ihres Vordecks.« Dann, als merkte er, daß er von lange vergangenen, nun unwichtigen Dingen sprach, sagte er heftig: »Mein Gott, dieses Kriechen macht mich verrückt.«
Herrick versuchte es auf andere Weise. »Unsere Befehle, Sir.
Darf ich fragen, was man von uns erwartet?« Er bedauerte die Frage sogleich und riß sich zusammen, während Bolitho mit den Augen dem langsamen Kreisen einer Möwe folgte. Aus der Schulterhaltung Bolithos und der Art, wie seine Hände die Reling umklammerten, schloß Herrick, daß er ein Thema berührt hatte, über das der Kapitän selber nachgrübelte.
Doch Bolitho antwortete ruhig: »Wir werden fünfzig Meilen westlich von Guadeloupe auf Station gehen und – «, er schwenkte die Hand gegen die offene See, »- mit unserem Geschwader Kontakt halten.«
Herrick verdaute langsam die Information. Die in Antigua herrschende Erregung und die eifrigen Vorbereitungen hatten ihn nicht im geringsten daran zweifeln lassen, daß eine Schlacht bevorstand. Und er wußte, daß inzwischen die meisten stolzen Schiffe, die er vor Anker gesehen hatte, ausgelaufen waren, um nach Rodneys Plan Graf de Grasse zu finden und zu stellen.
Bolitho fuhr abwesend fort: »Eine Kette von Schiffen riegelt die Karibische See ab. Eine Meldung, daß der Feind gesichtet ist, und die Jagd beginnt.« In seiner Stimme lag keinerlei Erregung. »Unglücklicherweise liegt Martinique hundert Meilen südlich von unserem Patrouillengebiet, Mr. Herrick.
Und dort ist de Grasse mit der Hauptmasse seiner Schiffe. Er wartet nur den rechten Augenblick ab, um nach Jamaika vorzustoßen.« Er drehte sich zu Herrick um. »Wenn Rodneys Fregatten melden, daß die Franzosen ausgelaufen sind, wird ihn unsere Flotte
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