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Bruderkampf

Bruderkampf

Titel: Bruderkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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bezopften Kanonier noch schmächtiger und kleiner wirkte, als er war. Und Proby, Old Proby, der wie eine Vogelscheuche aussah, als er die Arme schwenkte und den Rudergängern seine Befehle erteilte. In einem der Männer am Rad erkannte Bolitho den ältesten Matrosen an Bord, Old Strachan. Eine Kanone konnte er nicht mehr zu Brocks Befriedigung bedienen, doch am Ruder stand er noch immer seinen Mann, und selbst in der heftigsten Schlacht, das wußte Bolitho, würde Strachan nie versagen. Nicht weil er tapfer oder dumm war, sondern weil es Teil seines Lebens war. Des einzigen Lebens, das er kannte und für das er ausgebildet war. Bolithos Blick glitt zu Okes, der nervös die Degenscheide befingerte und ihn beobachtete.
    Bolitho hätte lieber Herrick an seiner Seite gehabt, aber Herrick würde genug mit den Batterien zu tun haben. Und außerdem war Okes jetzt Erster Leutnant, dachte er gereizt. Vibart war tot und kaum noch eine Erinnerung.
    Vom Kajütniedergang aus musterte Stockdale das ernste Gesicht des Kapitäns. Er nickte leicht. Bolitho bemerkte es, reagierte aber nicht. Doch Stockdale war zufrieden. Der Kapitän wußte, daß sein Bootsführer da war, und das reichte Stockdale.
    Dicht am Wind holten die drei Schiffe das Beste aus der schwächer werdenden Brise heraus und gingen in Linie, ganz so, wie sie es in der gnadenlosen Sonne viele Male unter den Augen des ewig nörgelnden Admirals geprobt hatten. Bolitho grüßte, als die Leinwand der Volcano sich blähte, und die Fregatte die Spitze übernahm. In ihrem Kielwasser folgte die Cassius. Und nach weiteren Flaggensignalen sagte Bolitho scharf: »Scheren Sie hinter dem Flaggschiff ein, Mr. Okes.«
    Die Männer eilten an die Brassen. Bolithos Blicke suchten den Zweidecker. Die Cassius wirkte wie ein älterer, aber erfahrener Krieger. Die Doppelreihe ihrer Stückpforten öffnete sich, und die Geschützrohre schoben sich heraus.
    Eine Stimme ertönte: »An Deck! Schiffe Steuerbord voraus.«
    Eine Pause, während alle zu der kleinen Gestalt auf der Großsaling hinaufschauten. »Zwei Linienschiffe. Und zwei Fregatten.«
    Bolitho bemühte sich, seine Ungeduld zu beherrschen. Da die Phalarope am Schluß des kleinen Verbandes segelte, würde sie als letzte in den Kampf eingreifen. Bis dahin konnte alles entschieden sein, dachte er erbittert.
    Die Segel killten kraftlos. Der Mann am Rad fluchte, weil er keinen Ruderdruck mehr spürte. »Der Wind springt nach Osten um, Sir«, sagte Proby düster.
    »Gut.« Bolitho richtete sein Glas auf die feindlichen Einheiten. Die pausenlosen Abschüsse klangen lauter, aber die Hauptmacht der Flotten schien so weit entfernt wie zuvor. Eine Täuschung, natürlich.
    Jenseits des killenden Großsegels der Cassius bekam Bolitho die gemeldeten feindlichen Schiffe kurz in den Blick: zwei große Schiffe, dicht in Linie, flankiert von zwei kleineren. Aber der abflauende Wind stellte nicht nur ihn, sondern auch seine Leute auf eine arge Probe. Sie waren, wie ihre Hurrarufe gezeigt hatten, bereit zu kämpfen oder ruhmvoll zu sterben.
    Doch dieses Warten, dieses quälende Warten zermürbte sie. Zu langsam näherte man sich der Kampfzone. So langsam, daß die anfänglich kampfbegeisterten Leute nun zu gelähmt schienen, sich zu bewegen oder die Augen von den rauchverhüllten Schiffen zu wenden.
    »Ich gehe nach oben, Mr. Okes.« Ohne den schwitzenden Ersten auch nur anzusehen, eilte Bolitho über die Steuerbordgangway zu den Wanten des Großmastes. Selbst als jungem Fähnrich war Bolitho die Höhe nie gut bekommen. Aber nach einem hastigen Blick auf die schlaffen Segel machte er sich auf die lange Kletterpartie zur Marssaling. Als er sich in die Wanten schwang, starrte ihn ein Seesoldat wortlos an, ehe er wieder auf die im Kampf stehenden Verbände blickte. Die Luft vibrierte von Detonationen, und der Pulverqualm sowie der Rauch brennender Holzteile reizte die Nasenschleimhäute. Bolitho wartete, bis sein Atem wieder ruhiger ging, ehe er das Fernrohr auseinanderzog und über die langsam segelnde Cassius hinwegschaute.
    Unmöglich, die Frontlinie zu bestimmen. Die Hauptmacht des britischen und französischen Geschwaders lag praktisch dicht voreinander, Schiff an Schiff, Rahnock an Rahnock. Ihre Masten und Segel waren von Rauch und Pulverqualm verhüllt, der nicht abziehen konnte.
    Bolitho richtete das Fernrohr auf einen anderen Punkt und wagte nicht, auf das Deck unter seinen baumelnden Beinen hinabzublicken. Plötzlich riß er die Augen auf. Die

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