Bruderkampf
schlimm genug hier draußen.«
»Stimmt.« Bolitho nickte, ohne sich umzudrehen. »Aber die Rationierung ist notwendig. Weiß Gott, wie lange uns die Flaute festnagelt.«
Bolithos Hand glitt über die Narbe unter der rebellischen Haarsträhne. Herrick hatte diese unbewußte Bewegung schon mehrmals bemerkt, gewöhnlich, wenn Bolitho völlig in Gedanken verloren schien. Herrick hatte Stockdale wegen der Narbe gefragt und erfahren, daß Bolitho verwundet wurde, als er – damals noch Leutnant – mit einem Häuflein Matrosen an Land geschickt worden war, um auf einer Insel die Wasserfässer zu füllen.
Weder der Kapitän noch sonst jemand hatte gewußt, daß die Insel bewohnt war. Die Barkasse war kaum gelandet, als brüllende Eingeborene die Abteilung aus dem Hinterhalt überfielen. Einer entriß einem sterbenden Matrosen das Entermesser und griff Bolitho an, der seine zahlenmäßig unterlegenen Männer um sich zu scharen versuchte. In seiner holprigen Sprechweise beschrieb Stockdale die Szene, bei der die Hälfte der Matrosen niedergemacht wurde, während die anderen sich verzweifelt auf dem Wasser in Sicherheit zu bringen versuchten. Bolitho, zu Boden gestürzt, wurde von seinen Leuten getrennt. Aus der Wunde, die das Entermesser gerissen hatte, strömte Blut. Ein Wunder, daß ihn der Hieb nicht getötet hatte. Die Matrosen wollten ihren Offizier, den sie sowieso für tot hielten, liegen lassen. Aber in letzter Minute sammelten sie sich doch noch. Andere Boote eilten ihnen zu Hilfe und brachten Bolitho in Sicherheit.
Herrick ahnte, daß noch eine Menge mehr dahintersteckte.
Und er vermutete, daß Stockdale die Panik eingedämmt und den Mann gerettet hatte, dem er nun wie ein treuer Hund diente.
Bolitho blickte zum Bugspriet. »Der Dunst erinnert ein wenig an den Nebel im Kanal.«
Herricks trockene Lippen knisterten, als er kläglich lächelte.
»Ich hätte nie gedacht, daß ich die Kanalflotte vermissen würde, Sir. Doch nun würde ich gern wieder den Wind hören und das kalte Spritzwasser spüren.«
»Kann sein«, sagte Bolitho gedankenverloren. »Aber ich habe so ein Gefühl, daß wir bald Wind bekommen.«
Herrick sah ihn verdutzt an. Das ist kein leeres Hoffnungsgeschwätz, sondern gehört zum Bild dieses Mannes, zu seiner gelassenen Zuversicht, dachte er.
Schritte näherten sich, und Vibart sagte rauh: »Auf ein Wort, Kapitän.«
»Worum geht es?«
»Um Ihren Schreiber Mathias, Sir. Er ist im Laderaum verunglückt, Sir.«
»Schwer?«
Vibart nickte. »Ich glaube, er wird den Tag nicht überleben.«
In seiner Stimme klang kein Mitleid mit.
Bolitho biß sich auf die Lippen. »Ich hatte ihn hinuntergeschickt, um einige Vorräte zu prüfen.« Er schaute bekümmert hoch. »Sind Sie sicher, daß ihm nicht geholfen werden kann?«
»Der Arzt verneint es.« Es klang gleichgültig. »Er hat sich nicht nur die Rippen gebrochen, sondern auch den Schädel aufgeschlagen.
Ein Spalt, in den ein Marlspieker passen würde.«
»Ach so.« Bolitho blickte auf die Reling. »Ich kannte den Mann kaum, aber er hat schwer gearbeitet und sich bemüht, sein Bestes zu geben.« Er schüttelte den Kopf. »Im Kampf zu fallen, ist eins, aber so...«
Herrick sagte schnell: »Ich werde sofort einen anderen Schreiber abkommandieren, Sir. Ich denke an Ferguson, einer von den in Falmouth gepreßten Leuten. Er kann lesen und schreiben und ist an solche Arbeit eher gewöhnt.« Herrick entsann sich an Fergusons ve rzweifeltes Gesicht, als sie Antigua verließen. Er hatte ihm versprochen, für ihn einen Brief an seine Frau zu besorgen. Wenn Ferguson der schweren Matrosenpflichten ledig wurde und der harten Aufsicht der Maate entkam, glich das die Unterlassung vielleicht irgendwie aus.
Bolitho sah ernst aus. Herrick fragte sich, wie der Kapitän die Kraft fand, sich über einen Matrosen Gedanken zu machen, wenn ihm selber eine so schwere Bürde der Verantwortung auf den Schultern lag.
»Gut. Kommandieren Sie Ferguson ab und klären Sie ihn über seine Pflichten auf.«
»An Deck!« erscholl es vom Großtoppausguck. »Bö an Steuerbord voraus!«
Herrick rannte an die Reling und beschattete die Augen.
Ungläubig sah er, wie das leichte Gekräusel auf das stilliegende Schiff zulief und hörte, wie sich die Takelage rührte, als die Segel sich langsam füllten.
Bolitho verschränkte die Hände auf dem Rücken. »Was soll das Starren? Bringen Sie die Männer in Trab, Mr. Herrick, damit das Schiff Fahrt aufnimmt.«
Herrick nickte. Er
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