Bruderkampf
herumschwang, damit die Leinwand den Wind fing. Das Land glitt bereits achteraus, und wenn alle Segel gesetzt und gebrasst waren, würde die Insel im Glast verschwunden sein. Vielleicht für immer, dachte er.
Der spanische Lugger
Herrick schob sich ein wenig um den Besan, um im Schatten zu bleiben, den der dicke Mast warf. Wegen des gleißenden Lichtes kniff er ständig die Augen zusammen, und seine Zunge fuhr unaufhörlich über die ausgetrockneten Lippen, während sich die Vormittagswache langsam dem Ende zuschleppte. Die Segel hingen schlaff und leblos, denn nicht die leiseste Brise bewegte die spiegelglatte, leere Weite des Meeres, auf der die Fregatte regungslos in der Flaute lag.
Er zog an seinem verklebten Hemd. Die Nutzlosigkeit der Bewegung reizte ihn. Es war schweißdurchtränkt, doch sein Körper schien nur eins zu verlangen: Feuchtigkeit. Die Decksnähte griffen klebrig nach seinen Schuhen, und als er die Hand unabsichtlich auf einen der Neunpfünder legte, hätte er vor Schmerz beinahe aufgeschrien. Das Rohr war so heiß, als hätte die Kanone pausenlos gefeuert. Bei dem Gedanken verzog er die Lippen. Es hatte keine Feindberührung gegeben, noch würde es unter diesen unmöglichen Bedingungen dazu kommen.
Von Antigua war die Phalarope direkt zu der ihr zugewiesenen Position gesegelt. Bis auf eine andere Patrouille laufende Fregatte und den massigen Rumpf der Cassius hatte man kein anderes Schiff gesichtet.
Und jetzt, wie um allem die Krone aufzusetzen, lag die Phalarope in einer Flaute. Seit vierundzwanzig Stunden trieb sie ziellos über ihrem Spiegelbild, von trägen Strömungen hierhin und dorthin getrieben. Die Männer im Ausguck, die hoffnungsvoll nach einem Windstoß Ausschau hielten, waren matt und müde.
Sieben lange Tage, seit sie Antigua überstürzt verlassen hatten, sieben Tage des Wartens und der Beobachtung des glatten Horizonts.
Herrick blickte nach vorn. Die Männer der Freiwache lagen wie Tote im dunklen Schatten des Schanzkleides. Die halbnackten Leiber waren gebräunt. Mehrere Matrosen, an die gnadenlos glühende Sonne nicht gewöhnt, hatten böse Verbrennungen erlitten.
Fähnrich Maynard lehnte an den Netzen. Sein rundes Gesicht war ausdruckslos. Inaktivität und Hitze hatten ihn ebenfalls zermürbt.
Es war schwer zu glauben, daß außerhalb ihrer eigenen Welt noch etwas existierte. St. Kitts lag etwa fünfzig Meilen südöstlich, und die Anegada Passage, die die Jungferninseln von den umstrittenen Inseln trennte, lag in dem sengenden Glast jenseits des bewegungslosen Bugspriets.
Von Hoods Anstrengungen, St. Kitts zu halten, hatten sie nichts weiter gehört, und nach allem, was Herrick wußte, konnte der Krieg ebensogut schon zu Ende sein. Als das Flaggschiff ihnen begegnete, hatte Bolitho durch ein Signal die neuesten Nachrichten erbeten, aber die Antwort war unbefriedigend gewesen, um es gelinde auszudrücken. Die Phalarope hatte gerade Geschützübungen angesetzt, bei denen mehrere alte und nutzlose Fässer als Ziel dienten. Bolitho hatte das Übungsschießen angeordnet, um die Eintönigkeit zu unterbrechen, nicht weil er hoffte, durch solche Methoden die Treffsicherheit zu erhöhen.
Die Cassius hatte ein Signal gesetzt. Maynard meldete, daß der Admiral sofortige Feuereinstellung forderte. »Pulver und Kugeln sparen!« hatte das Signal kurz befohlen.
Bolitho hatte sich jeder Bemerkung enthalten. Herrick kannte seinen Kapitän jedoch jetzt gut genug, um den Ärger zu begreifen, der in Bolithos grauen Augen aufflackerte. Alles erweckte den Eindruck, als hätte der Admiral vorsätzlich diesen Kurs gesteuert, um die Phalarope zu isolieren, so wie der Arzt einen Aussätzigen von seinen Mitmenschen absondert.
Herrick riß sich aus seinen Gedanken, als Bolithos Kopf und Schultern im Kajütniedergang auftauchten. Wie die anderen Offiziere trug er nur Hemd und weiße Kniehose. Das dunkle Haar klebte ihm schweißnaß auf der Stirn. Er wirkte gereizt.
Herrick spürte geradezu seine Ruhelosigkeit.
»Noch immer kein Wind, Sir.«
Bolitho warf ihm einen ärgerlichen Blick zu. Dann nahm er sich zusammen. »Danke, Mr. Herrick. Ich sehe es.« Er trat an den Kompaß. Sein Blick streifte die beiden Rudergänger.
Schließlich ging er zur Steuerbordreling. Herrick sah ihn zusammenfahren, als die Sonne mit der Hitze eines Schmelzofens seine Schultern traf.
»Und wie fühlen sich die Männer?«
»Nicht sehr wohl, Sir«, erwiderte Herrick vage. »Auch ohne gekürzte Wasserration ist es
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