Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bruderschaft der Unsterblichen

Bruderschaft der Unsterblichen

Titel: Bruderschaft der Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
sagte er. „Die Augen? Die Nase?“ Er hat recht. Große tiefe Augenhöhlen lassen sich erkennen. Ein großes, dreieckiges, herausgemeißeltes Loch, die Nasenmuschel. Und direkt am Erdboden eine Reihe immenser Zähne, der Oberkiefer, der in die sandige Erde beißt.
    Ein Schädel.
    Er sieht aus, als sei er tausend Jahre alt. Wir entdeckten Spuren von weiterer künstlerischer Bearbeitung, Brauendämme, Wangenknochen und andere Züge; aber an den meisten hat der Zahn der Zeit genagt. Trotzdem ein Schädel. Unverwechselbar ein Schädel. Ein Wegweiser, der uns sagt, daß das, was wir suchen, nicht mehr allzuweit den Weg hinab liegt – oder er warnt uns vielleicht, daß hier die letzte Möglichkeit zum Umkehren sei. Eli bleibt eine ganze Weile stehen und untersucht den Schädel. Ned. Oliver. Beide davon fasziniert. Eine Wolke zieht über uns hinweg, taucht den Stein in Schatten und verändert unsere Sicht seiner Konturen; es sieht jetzt so aus, als hätten sich die leeren Augen mit Leben gefüllt und starrten uns an. Die Hitze wird zuviel für mich. Eli sagt: „Wahrscheinlich ist er präkolumbianisch. Sie haben ihn aus Mexiko mitgebracht, könnte ich mir vorstellen.“ Wir blicken nach vorn in den Hitzedunst. Drei große Saguaros, wie Säulen, versperren uns die Aussicht. Wir müssen zwischen ihnen hindurch. Und dahinter? Das eigentliche Schädelhaus. Zweifellos. Unvermittelt frage ich mich, was ich überhaupt hier mache, wie ich mich überhaupt jemals diesem Irrwitz anschließen konnte. Was zuerst wie ein Scherz aussah, wie ein Jux, scheint jetzt plötzlich allen real geworden zu sein.
    Niemals sterben müssen. Oh, was für eine Scheiße! Wie soll so etwas denn möglich sein. Wir werden Tage damit verschwenden, das herauszufinden. Die Abenteuer von Mondsüchtigen. Schädel auf der Straße. Kakteen. Hitze. Durst. Zwei müssen sterben, wenn zwei leben wollen. Der ganze mystische Quatsch, den Eli von sich gab, hat sich für mich in dieser Halbkugel aus grobem schwarzem Gestein summiert, die so fest, so unübersehbar dort liegt. Ich habe mich einer Sache angeschlossen, die jenseits meines Horizonts liegt, und in ihr können große Gefahren für mich liegen. Aber von jetzt an gibt es kein Zurück mehr.

 
22. KAPITEL
Eli
     
    Und wenn dort gar kein Schädelhaus liegt? Und wenn wir am Ende des Weges nur einen Wall aus undurchdringlichen Stacheln und Dornen finden? Ich glaube, irgendwie habe ich das erwartet. Die ganze Expedition lediglich ein weiterer Fehlschlag, ein weiteres Fiasko für Eli, den Schmeggege. Der Schädel am Wegrand, der sich als trügerischer Beweis erweisen würde, das Manuskript als Traummärchen, der Zeitungsartikel als Betrug, das X auf unserer Karte nichts als ein blöder Scherz. Vor uns nur Kakteen und Mesquiten, ein dürres Ödland, der Arsch einer Wüste, in der noch nicht einmal Schweine sich so weit erniedrigen würden, hier hinzuscheißen. Was würde ich dann sagen? Ich würde mich in tiefster Demut an meine drei erschöpften Kameraden wenden und sagen: „Meine Herren, ich bin betrogen, und ihr seid in die Irre geführt worden. Wir sind einem Hirngespinst nachgelaufen.“ Ein reumütiges, dürftiges Lächeln würde meine Mundwinkel umspielen. Und dann würden sie mich schweigend und sachlich ergreifen, weil ich die ganze Zeit über gewußt habe, daß es zu einem solchen Ende kommen mußte. Und sie würden mich entkleiden, mir einen hölzernen Pflock ins Herz treiben, mich an einen hochaufragenden Saguero nageln, mich zwischen den flachen Felsen zu Tode quetschen, sie würden mir Chollas auf den Augen zerreiben, mich bei lebendigem Leib verbrennen, mich bis zum Hals in einem Ameisenhügel vergraben, mich mit ihren Fingernägeln kastrieren und dabei feierlich singen: Schmeggege, Schlemihl, Schlemazel, Schmendrick, Schlep! Geduldig werde ich die wohlverdiente Strafe auf mich nehmen. Demütigungen sind mir nicht fremd. Ein Desaster kann mich nicht erschrecken.
    Demütigung? Desaster? Wie beim Fiasko mit Margo? Mein letztes größeres Debakel. Es tut immer noch weh. Letzten Oktober, Semesteranfang, regnerische, neblige Nacht. Wir hatten erstklassigen Shit, angeblich Roter Panamese, den Ned seinen Worten zufolge durch Beziehungen zum homosexuellen Underground erhalten hatte. Die Pfeife machte die Runde, Timothy, Ned und ich; Oliver hielt sich natürlich davon fern und schlürfte andächtig irgendeinen billigen Rotwein. Ein Quartett von Rasoumovski wurde im Hintergrund von der Platte gespielt. Tapfer

Weitere Kostenlose Bücher