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Bruderschaft der Unsterblichen

Bruderschaft der Unsterblichen

Titel: Bruderschaft der Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Berghang hinauf geschafft. Oliver nutzte diesen Moment, um seinen Antrag zu stellen. Zieh mit mir zusammen und lebe mit mir, sagte er, und wir werden alle irdischen Freuden genießen. Die Zeiten des bloßen Herummachens waren vorbei; Oliver wollte eine sofortige und endgültige Entscheidung. Wähle zwischen Julian und mir, erklärte er Ned, und wähle schnell. „Zu dieser Zeit war ich zu dem Schluß gekommen, daß ich mir eigentlich nicht allzuviel aus Oliver machte, der oft dazu neigte, ein Grobian und Tyrann zu sein, zu einer Art von schwulem Hemingway zu werden“, sagte Ned. „Und obwohl ich Julian attraktiv fand, hielt ich ‚sie’ auch für viel zu abhängig und schwach, eine richtige Klette. Davon abgesehen, für wen ich mich auch entscheiden würde, war ich mir ziemlich sicher, alle möglichen Szenen vom anderen erwarten zu können – hitzige Auseinandersetzungen, Drohungen, Schlägereien und was weiß ich noch alles.“ Und so, fuhr Ned fort, erklärte er höflich, daß er nicht die Ursache für ein Auseinanderbrechen zwischen Oliver und Julian sein wolle, der Menschen, die er am allermeisten schätzte, und daß er lieber, als eine solche unmögliche Entscheidung zu treffen, gleich aus ihrem Apartment ausziehen wolle. Oliver beschuldigte Ned daraufhin, er zöge Julian vor, er verschwöre sich heimlich mit Julian, um ihn hinauszuekeln. Das Gespräch wurde laut und irrational, voller Diskriminierungen und Beleidigungen. Schließlich sagte Oliver: „Es gibt für mich keinen Weg, ohne dich zu leben, Ned. Versprich mir, daß du dich für mich statt für Julian entscheidest. Versprich es mir hier auf der Stelle, oder ich stürze mich in den Abgrund.“
    An dieser Stelle seiner Geschichte trat ein irrer Glanz in Neds Augen, ein teuflisches Strahlen. Ganz offensichtlich bereitete es ihm Vergnügen. Verzaubert von seinem eigenen Redefluß. Auf eine gewisse Weise ging es mir genauso. Er sagte: „Ich war es müde, von diesen Selbstmorddrohungen korrumpiert zu werden. Es war ja nicht mehr zum Aushalten, wenn einem jeder Schritt von eines anderen Drohung diktiert wurde, er werde sich umbringen, wenn man sich nicht auf seine Seite schlüge. ‚Oh, elende Scheiße’, sagte ich zu Oliver, ‚willst du jetzt hier auch diese Nummer abziehen? Leck mich doch. Mach nur, spring doch. Ist mir scheißegal, was tu tust.’ Ich glaubte, Oliver bluffe nur, wie das eben meistens ist, wenn Leute so etwas sagen. Aber Oliver bluffte nicht. Er gab mir keine Antwort, dachte noch nicht einmal einen Moment nach, trat einfach über den Rand. Ich sah, wie er ungefähr zehn Sekunden lang durch die Luft segelte, mich ansah, das Gesicht ganz ruhig und friedlich. Er fiel sechshundert Meter, bis er auf einen Vorsprung prallte, wie eine Puppe herumgewirbelt wurde und dann weiterstürzte, bis er auf dem Boden aufschlug. Es ging alles so schnell, daß ich keinen klaren Gedanken fassen konnte – die Drohung, meine mürrische, schnippische Antwort, sein Sprung – eins, zwei, drei. Dann begann ich zu verstehen. Mein ganzer Körper wurde von einer Gänsehaut überzogen. Und ich schrie, als hätte ich den Verstand verloren.“ Einige Minuten lang habe er ebenfalls daran gedacht, sagte Ned, in die Tiefe zu springen. Dann faßte er sich wieder und rannte den Bergpfad hinunter. Der Abstieg fiel ihm ziemlich schwer, ohne Oliver, der ihm helfen konnte. Er brauchte Stunden, um hinunterzukommen, und als er unten war, herrschte tiefste Nacht. Er hatte keine Ahnung, wo Olivers Körper lag, und nirgendwo waren Polizisten oder Telefonhäuschen oder sonst etwas zu sehen. Also wanderte er die anderthalb Meilen zum Highway und trampte zur Schule zurück. (Damals konnte er noch nicht fahren und mußte Olivers Wagen deshalb am Fuß des Berges zurücklassen.) „Den ganzen Weg zurück befand ich mich in heller Panik“, sagte er. „Die Leute, die mich mitnahmen, dachten, ich sei krank. Einer wollte mich sogar ins Krankenhaus bringen. In meinem Kopf gab es nur einen Gedanken: Schuld, Schuld, Schuld, Schuld, weil ich Oliver umgebracht hatte. Ich fühlte mich für seinen Tod so verantwortlich, als hätte ich ihn eigenhändig hinuntergestoßen.“ Wie vorhin schon, erzählten mir Neds Worte eine Fassung, und seine Gesichtsmimik erzählte eine andere. „Schuld“, sagte er laut, und per Telepathie empfing ich Befriedigung. „Verantwortlich für Olivers Tod“, sagte er, und unter der Oberfläche sagte er: Begeistert, daß sich jemand aus Liebe zu mir umbrachte.

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