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Bruderschatten

Bruderschatten

Titel: Bruderschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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Schritt hatte er das Gefühl, jemand stieße ihm ein Messer in den Fuß.
    Er riss sich die Mütze vom Kopf, warf sie auf den Stuhl, sprang in das Bett und zog die Decke bis zum Hals. Der Schmerz klopfte in seinem Knöchel, in seinem Knie, in seinem Kopf, und er zitterte am ganzen Körper. Angestrengt lauschte er den Geräuschen im Flur, während sein Atem viel zu laut ging.
    Er hörte die Frau die Treppe heraufkommen. Ihre Schritte näherten sich der Tür. Er versuchte, leiser zu atmen, drehte den Kopf zur Wand und schloss die Augen.
    »Wen haben wir denn da?«, fragte die Frau und lachte, als sie das Zimmer betrat. »Denkst du, ich habe dich nicht gehört?«
    Sie trat ans Bett. Jan hatte die Augen fest geschlossen und hielt die Luft an. Vielleicht ging sie wieder.
    »Hey, du Früchtchen.« Sie setzte sich neben ihn auf die Bettkante.
    Jan spannte die Muskeln an. Wenn sie ihn berührte, würde er sofort aus dem Bett springen. Fremde durften ihn nicht berühren. Niemals.
    »Tu nicht so, als würdest du schlafen. Wir müssen dir den Verband neu anlegen. Der hängt ja nur noch wie ein Putzlappen am Kopf.«
    Jan rührte sich nicht. Sie nahm sein Kinn in ihre Hand. Er riss den Kopf so heftig weg, dass der Schmerz ihn aufschreien ließ.
    Die Frau sprang erschrocken vom Bett auf.
    »Sieh mich an«, sagte sie barsch.
    Widerwillig öffnete er die Augen. Drei dürre, gebogene Finger hingen vor seinen Augen. Die helle Haut war übersät mit Sommersprossen und seltsam faltig, als sei sie viel zu groß für die kleinen Hände der Frau.
    »Wie viele Finger siehst du?«, fragte sie. Die Finger kamen näher. Er schob sich am Kopfende des Bettes hoch, weg von den Fingern. Sie endeten in rosigen Nägeln mit schmutzigen Rändern.
    »Antworte endlich«, sagte sie. »Du bist draußen ausgerutscht und auf den Stufen gelandet. Wenn du Pech hast, hast du eine Gehirnerschütterung und musst im Bett bleiben.«
    Er kniff den Mund zusammen.
    »Antworte mir.«
    Er hob die Hand und spreizte drei Finger ab.
    Die Frau sah ihn an und schüttelte den Kopf. »So ein sturer Geselle.«
    Er sah sie an, die Lippen trotzig zusammengepresst.
    »Und jetzt folge mit den Augen meinem Finger.«
    Sie klang streng.
    Er folgte dem Finger mit den Augen, erst nach links, dann nach rechts.
    »Na also. Geht doch. Hast du Hunger?«, fragte die Frau und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich hab unten einen Lammbraten.«
    Er schüttelte den Kopf. Die Frau konnte ihm sonst was erzählen.
    »Hast du Durst?«
    Er dachte einen Augenblick nach, dann nickte er.
    »Zieh die Jacke aus, sonst schwitzt du und erkältest dich noch. Und komm mit nach unten in die Küche«, sagte die Frau und ging zur Tür. »Da hab ich auch neues Eis für deinen Kopf.«
    Deshalb war es so kalt, dachte er. Sie hatte ihm einen Verband mit Eis angelegt.
    In der Küche trank er ein Glas Apfelsaft. Er schmeckte längst nicht so gut wie der bei seiner Großmutter, aber er war durstig – und hungrig war er auch. Aber er mochte hier nichts essen. Vielleicht war das Fleisch ja doch nicht von einem Lamm.
    Die Frau kam auf ihn zu und streckte die Hände nach seinem Kopf aus.
    Er stieß ihre Hände weg.
    »Meine Güte! Dann wickle den Verband doch selbst ab.«
    Er wickelte umständlich den Verband vom Kopf. Zwei kleine Eiswürfel fielen zu Boden, zersplitterten und schmolzen, während die Frau weitersprach.
    »Du hast dir die Rippen geprellt und außerdem blaue Flecke an den Beinen und am Oberarm. Und du hast eine große Beule mit einer Platzwunde am Kopf. Sie hat vorhin ziemlich geblutet. Aber das tun Kopfwunden immer. Sieht deshalb oft schlimmer aus, als es ist.«
    Sie tippte mit der Hand an ihren Hinterkopf. Jan berührte die Stelle an seinem Kopf, die die Frau ihm gezeigt hatte. Seine Finger glitten über eine Schwellung, die aufgerissen war und schmerzhaft brannte und pochte.
    »Ich war vorhin am Haus deiner Großmutter. Die Polizei war auch da«, sagte die Frau und schüttelte erneut den Kopf, als könnte sie es nicht fassen.
    Ihm wurde speiübel. Er wusste nicht, was schlimmer war, der Schmerz im Kopf oder die Übelkeit im Magen. Zugleich wurden seine Lider schwer, und er fühlte sich ausgelaugt und müde.
    »Wovor bist du weggelaufen?«
    Jan rührte sich nicht.
    Er dachte an seine Mutter. Er hatte keine Ahnung, ob sie schon nach ihm suchte. Doch er wusste, dass er in einer schrecklichen Situation steckte. Er war ein Zeuge. In den Filmen, die er kannte, war es für Kinder schlecht, Zeuge eines

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