Brücke der brennenden Blumen
zur Neige auskosten, Greis werden
wie auch Rodraeg es geworden war, bevor Siusans Folter den Lebensfaden ganz
durchtrennte und den schönen, langen Traum eines viel zu früh Verstorbenen
beendete?
Eljazokad erkannte, daà er durchaus auch ein Feigling war. Daà er im
Verstreichen der Jahre in Kauf nahm, daà auch Bestar und Tjarka starben. Aber
um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen, sagte er sich immer wieder, daÃ
anderthalb Jahre in den Provinzen nur einen einzigen Tag auf dem Kontinent
bedeuteten und daà er zuerst sterben müsse, weil Siusan sich ja zuerst mit ihm
befaÃt hatte. Solange er noch lebte und träumte, müÃten Bestar und Tjarka noch
am Leben sein. Sagte er sich. Redete er sich ein. Er redete viel mit sich
selbst, in der Sprache der Alten Insel und auf Bazuzaric. Vielleicht wurde er
wunderlich mit den Jahren. Aber den Dorfbewohnern paÃte dies gut in ihr
Verständnis von einem heiligen Mann.
Wenn kein Schnee lag, was im Geweihwasserdorf nur an drei der zehn
Monde vorkam, blühten auf den tiefgrünen Wiesen Mohnblumen, so rot, als ob sie
in Flammen stünden. Der Mond war ein smaragdgrünes Ei. Wenn Schnee lag, deckte
Rot den ganzen Wald, und rote Schneekaninchen waren emsig damit beschäftigt
sich Fettreserven anzufuttern.
Im dritten Winter, den Eljazokad im Geweihwasserdorf verlebte,
erkannte er in einem der kleinen Kinder, dem er einen Keuchhusten heilte, das
verwundete Mädchen aus dem Traum, der ihn zum Mammut geführt hatte. Als Neugeborenes hatte er sie noch nicht erkennen können, aber
jetzt war sie zwei Jahre alt und begann, seinem Traumbild ähnlich zu sehen. Das
Mädchen hieà Saien und war die Tochter einer jungen, hübschen Frau namens
Tiraato. Eljazokad wuÃte, daà Saien etwas Furchtbares zustoÃen würde, daà sie
bluten und leiden würde, aber er wuÃte nicht genau, wann und unter welchen
Umständen. Vor ein paar Jahren auf dem Kontinent hatte irgendein kluger Mensch,
mit dem Eljazokad in einer Hafenstadt ein paar Becher leerte, ihm erzählt, daÃ
in alten Legenden Prophezeiungen immer genau deshalb wahr wurden, weil jemand
versuchte, ihr Wahrwerden zu verhindern. Es hatte also keinen Sinn, sich
dagegen zu stemmen. Das Ergebnis war unabänderlich. Eljazokad spielte eine
Rolle, und dies war die Rolle des Heilers, nicht die des Behüters. Mit
wachsender Besorgnis und für die Dorfbewohner wahrnehmbar wachsender
Zerstreutheit beobachtete Eljazokad also Saien und Tiraato und unternahm
nichts, um das kommende Unheil zu verhindern. In seinem Tagebuch notierte er in
dieser Zeit zwischen vielen weiteren verschlungenen Fragen diese: Ergibt die Tatsache, daà das Mammut alle
meine Kreise schlieÃt und somit die Quintessenz meines Lebens darstellt, nicht
nur dann einen Sinn, wenn mein Leben im Mammut endet?
Im vierten Winter, den Eljazokad im Geweihwasserdorf verlebte,
streckte ihn eine schwere Schmerzattacke zu Boden, lieà ihn fiebern und in
Ohnmachten hinein- und herausgleiten. Da Eljazokad unpäÃlich war, muÃten die
Dorfbewohner, wenn es mit ihrer Gesundheit nicht zum Besten stand, den Weg
durch den Summenden Wald zur Weisen Zetaete einschlagen. In diesen Tagen schlug
der Wolf Oscodidan, der in den Legenden des Geweihwasserdorfes ein Todfeind des
Mondes und der Mondesblutung war, mehrere Opfer. Er überfiel die Weise Zetaete
und fraà ihren Leib mitsamt all ihrer Macht, er zerfleischte und tötete auch
Tiraato, die ihr erkranktes dreijähriges Töchterlein Saien zur Weisen hatte
bringen wollen, und er verwundete dabei das Kind schwer. Ein Jäger fand das besinnungslose
Kind und brachte es zurück ins Dorf. Dort begann groÃes Wehklagen, denn man
hatte auch die Hütte der weisen Kartenlegerin zerfetzt gefunden und alles
besudelt von ihrem Blut. Nun kamen sie zum fiebernden Eljazokad und übergaben
ihm flehentlich das Kind.
Eljazokad mühte sich, während die Welt sich um ihn drehte wie ein
Windspiel, mit Zaubern, Tänzen und Spruchformeln. Er wandte auch die
naheliegenderen MaÃnahmen an, das Waschen und VerschlieÃen der Wunden, das
Zuführen von Kräutern und fiebersenkenden Feuchttüchern. Die kleine Saien
jedoch glitt immer tiefer in die Schatten, ihr Gesicht ähnelte mehr und mehr
dem einer Toten.
SchlieÃlich ging Eljazokad unzulänglich bekleidet hinaus in den
Schnee und den Summenden Wald. Ihm war warm genug von seinem Fieber. Zwei
Nächte ohne
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